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Zwei Zeugen des Wortes

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Nikolaus Gogol: Betrachtungen über die Göttliche Liturgie. Ins Deutsche übertragen von Reinhold von Walter. — Friedrich Freiherr von Hügel : Briefe an seine Nichte. Ucbertragen und eingeleitet von Karlheinz Schmidthüs. Beide Verlag Herder, Freiburg.

Es war ein rein äußerer Zufall, der uns diese beiden kleinen und gewichtigen Schriften unmittelbar hintereinander lesen ließ,. Aber es schien uns, als ob wir hier die beiden geographisch wie historisch entferntesten Pole berührt hätten, die man. nehmt alles nur in allein, von einer höheren Warte her noch in die echte katholische Welt einbeziehen kann. Wir wissen, daß Gogol ein überzeugter Orthodoxer war, daß er in dieser Ostkirche zu Hause war wie nur irgendeiner seines aufgeklärten Jahrhunderts, für das die kleine theologische Schrift des Dichters der „Toten Seelen“ und des „Revisors“ ein Greuel und Aergernis blieb, über das sich sowjetische Literaturkritiker heute noch schütteln. Was Gogol hier versuchte, ähnelt von ferne dem. was in der westlichen Welt die Lebensarbeit des unvergessenen P. Pius Parsch ausmachte, nur, daß dieser begnadete Seelsorger nicht eben auch zugleich der bildkräftige Schöpferdichter war wie Gogol. Das Orarion des Diakons, jener schmale, bandförmige Streifen seiner liturgischen Gewandung (der Manipel bei uns vergleichbar), das Johannes Chrysostomos mit dem ätherischen Flügel des Engels verglich, an dessen Verkündigungsstelle ja der Diakon fungieren soll, schwebt über dieser Sprache, es öffnet die heiligen Räume hinter der bildergeschmückten Wand, die der Liturgie der östlichen Bruderkirche geweiht sind. Gogol beschreibt nichts anderes als den Ablauf des feierlichen Gottesdienstes seiner Kirche mit seiner Dreigliederung in Zurüstung, Liturgie der Katechumen und Liturgie der Gläubigen. Aber ohne in süßlich-erbauliches Allegorisieren zu verfallen, öffnet er eine Tür der Einweihung nach der anderen mit behutsamer Hand, bis der rationalistische Westmann mitten drin steht im thymian-rauchduftenden Heiligtum alter und dennoch nicht museal erstarrter Aufcrstehungschristlichkeit. aus dem sich auch der. dem unsere römische Liturgie ansonsten bergende Heimat ist, nur sehr schwer wieder lösen kann.

„Das christliche Leben ist in seiner tiefsten und höchsten Gestalt sicherlich nicht bloßer und reiner gesunder Menschenverstand. Lind doch — auf die Dauer — muß etwas gesunder Menschenverstand dabei sein, wenn es nicht zu Schaden kommen soll.“ Der so schreibt, ist Freiherr von Hügel, Sohn eines österreichischen Diplomaten und einer Engländerin. Das ihn prägende Element ist der Westen, vielleicht sogar der anglikanische Westen. Die hier gesammelten persönlichen Briefe an seine Nichte durchziehen immer wieder unwillkürliche Impressionen der herbstlichen Seeluft, des Sturms, der Schiffskabine, aber auch immer wieder sind es Gestalten der englischen Kirchen, die als Freunde und Vorbilder, als Partner und Gegner genannt und umrissen werden. Es sind scheinbar ganz private Briefe, in jener diskreten, „untertreibenden“ Art des echten Weltmanns geschrieben, die die Pose des Predigers und professoralen Systematikers vermeidet, und selbst tiefste Gedanken in die Form der beiläufigen Bemerkung, ja selbst der Fußnote zu kleiden liebt. Was der sehr geschickt wählende Herausgeber aus der manchmal etwas krausen Fülle Hügelschcr Selbstzeugnisse auswählt, ist eine Einübung in die christliche Tugend, die in vielen Formulierungen neben Franz von Sales und des unvergleichlichen französischen Moralisten des 18. Jahrhunderts bestehen kann. Es ist ein Christentum fern aller Verstiegenheit und unter der Maske besonderer Aus-erwählung sich selbst vergötzenden Sonderbarkeit. Recht eben das, was man einst — heute nur sehr mit Vorsicht — „liberal“ nannte. Daß Hügel, dem die Theologie die sehr lichtvolle Gliederung der Elemente des Katholischen (institutionell, rationell, mystisch) dankt, nie den fundierten Glaubenslehrer vergißt, daß er dem Kulturkatholizismus und -pre-testantismus sympathisierend, aber bei strenger Wahrung des unaufgebbar wesentlichen „Aerger-nisses und der Torheit“ gegenübersteht, sichert seinem Werk die über das Zeitgebundene bis heute bewahrte Gültigkeit.

Seiten noch haben wir die Vielheit der Wohnungen im Hause des Vaters so beglückend empfunden wie beim Durchschreiten dieser beiden Gebetskammern des Ostens und des Westens.

Handbuch der Welthandelstechnik. Von Ludwig Triegler. Manzsche Verlags- und Universitätsbuchhandlung, Wien. 860 Seiten. Preis 280 S.

Dem Verfasser danken wir eine vor Jahren erschienene „Technik des Außenhandels“, , eine umfassende Darstellung aller mit dem Außenhandel zusammenhängenden Fragen. Was uns jetzt vorliegt, ist ein Handbuch, welches in einem weiten Span-nungsbogen sowohl die volkswirtschaftlichen, die kalkulatorischen wie die betriebswirtschaftlichen und juristischen Fragen, die dem Phänomen des Außenhandels entstammen, in einer ganz hervorragenden Weise behandelt. Trotz des Lexikonformates des Buches sind die Ausführungen von einer bemerkenswerten Konzentration. Das zeigt schon die Einführung in die Probleme der volkswirtschaftlichen Bilanzen und in den internationalen Zahlungsverkehr. Die Kapitel über die Außenhandelspolitik und die Devisenbewirtschaftung leiten über zu umfangreichen Ausführungen zur Zollpolitik. Ein Buch für sich ist der Abschnitt „Weltwirtschaftspolitik“, in dem die übernationalen Wirtschaftsinstitutionen und Begriffe wie die „Liberalisierung“ eine eingehende Würdigung erfahren.

Der Autor ist der Leiter der Abteilung Außenhandel im Konzern der Alpine Montangesellschaft. Von seinem immensen praktischen Wissen im Fach zeugen nun die überlegenen Darstellungen betreffend die Organisation des Außenhandels oder die Außenhandelskalkulation, die bisher in den einschlägigen Werken sehr stiefmütterlich behandelt worden waren. Der Praktiker von Format zeigt sich ebenso im Kapitel ,,Die Finanzierung im Außenhandel“. Jeder im Verrechnungswesen Tätige muß dem Verfasser überdies dafür danken, daß er auch der Verbuchung von Außenhandelsgeschäften einen Abschnitt gewidmet hat. Eingehend beschäftigt sich dann Triegler mit dem internationalen Transportwesen (vom Seetransport bis zur Luftfracht), mit der Verpackung und schließlich mit der Transportversicherung.

Im Anhang findet der Leser eine Reihe von wertvollen Anlagen, so die Incoterms, international bedeutsame Maße und Gewichte und die Technik ihrer Umrechnung in das dekadische System.

Nicht weniger als 20 Seiten Sachregister ■ erleichtern dem Benutzer des Handbuches das Auffinden der Stichwörter und machen das Werk erst für den täglichen Gebrauch des Praktikers (dem es ja vornehmlich dienen soll) benutzbar.

Wer jemals mit Außenhandelsfragen und gleichzeitig mit Fragen der Kalkulation im Außenhandel als Lehrer zu tun hatte (wie der Referent), glaubt ermessen zu können, welch ganz große Hilfe das Buch Trieglers zu sein vermag, dem, der in der Praxis steht, dem Lehrer, dem Volkswirtschaftler, aber ganz besonders den in Ausbildung Befindlichen, die einmal dazu beitragen müssen, die internationale ökonomische Position Oesterreichs zu verfestigen und den für Oesterreich typischen Leistungsdefizit beseitigen zu helfen, der darin gelegen ist, daß wir wohl erzeugen, aber nicht verkaufen können, in welchem Umstand einer der Gründe für die strukturelle Ueberfremdung des österreichischen Handels gelegen ist.

Prof. Dkfm. Dr. A. Burghardt

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