6630827-1956_36_11.jpg
Digital In Arbeit

Das Buch von Christoph Columbus

Werbung
Werbung
Werbung

Nachdem, wie in den vergangenen Jahren, der Münchner Festsömmer mit dem musikalischen Präludium der Kammerkonzerte im Nymphenburger Schloß eingeleitet wurde, begannen die eigentlichen Festspiele mit einer glanzvollen und farbenreichen Aufführung von Paul C1 a u d e 1 s „Buch von Christoph Columbus“ in der eleganten und zugleich lapidaren Uebertragung von E. M. Landau und der vom Melodramatischen bis .zum, Lyrischen reichenden Musik von Darius M i 1 h a u d. Innerhalb weniger Jahre konnte man in München somit mehrere verschiedene Columbus-Darltclhingen kennenlernen, die, allesamt ausgehend von den historischen Fakten, jeweils ein anderes Bild der. faszinierenden Entdecker-gestaut entwarfen. Da hatte der Brecht-Schüler Peter H a-c k s in seinem stürmischen und herausfordernden Schauspiel „Die Entdeckung des indischen Zeitalters“ Columbus als Lleberwrnder der Religion zugunsten der triumphierenden ' Vernunft marxistisch-materialistischer Lesart herausgestrichen. Werner E g k wiederum schildert In seinem szenischen Oratorium den kühnen Kommandanten in seiner menschlichen Tragik zwischen Wagemut und Verlassenheit. Paul Claudel schließlich exemplifiziert an dem großen Genueser eine Mission und ein Opfer ad majorem gloriam Dei. Es ist keine Heroisierung um jeden Preis, auch kein gewaltsames Mysterium Vielmehr spiegelt sich in d&sem Christoph Columbus (Claudel betont die Bedeutung dieser beiden Namen: „Christusträger“ Und „Taube“ als Symbol des Heiligen Geistes) das Wesen aller Claudelschen Helden wider: .sie sind groß, weil sie um höherer Ziele willen das Opfer auf sich nehmen, mißverstanden und verachtet zu bleiben; ihre Gnade ist nicht irdischer, sondern subtil geistiger Art. Nur ganz leise tönt bei Columbus diese Gnade durch die Gestalt der Königin Isabella in die diesseitige Wirklichkeit herein.

Das Erstaunliche (und für jede Darstellung im deutschsprachigen Theater Schwierige!) an diesem Werk ist die Leichtigkeit und Anmut, mit der der Dichter die verschiedenartigsten Elemente geistiger, szenischer, dichterischer Art bindet. Neben zelebrierenden Szenen auf der Bühne erlebt man das impro/isierende, oft mit leichter Selbstironie durchwirkte Erzählen des Berichters, neben der stilisierten Berufungsszene und der Passion des Columbus den gauklerischen Tanz der stürzenden Indianergötter, die angesichts des herannahenden Christentums den Ausfall nahrhafter Menschenopfer bejammern. Soviel entschlossener auch bei Claudel die theologische Konsequenz seiner Weltentdeckergestalt ist als bei Werner Egk, soviel leichter, spielerischer setzt er es doch vor sein Publikum. Es gilt hier im Grunde die gleiche Spielanweisung wie für den „Seidenen Schuh“. Dort bestand der Dichter in kluger Voraussicht, daß mancher Regisseur dieses Spiel zu ernst und schwer inszenieren würde, auf einem Darstellungsstil, der vor allem den Sinnen und womöglich auch den Lachmuskeln etwas bieten solle. Wenn sich ein paar Zuschauer darüber hinaus noch Gedanken über den geistigen und geistlichen Inhalt machten, so sei es erfreulich und schön, aber durchaus nicht das einzige Ziel der Aufführung. Theater ist hier, im Gegensatz zum gedankenschweren deutschen Theater, immer noch in hohem Grade naivste Spielentfaltung. Pantomime, Tanz, ja szenisches Verwandlungsspiel bekommen zeitweilig einen größeren Raum, so scheint es, als das Wort, das in der knappsten und lapidarsten Ausdrucksweise dichterisch wirkt. Poesie heißt hier, das Einfache am Einfachsten sagen. Und die Musik macht dieses Einfache wiederum durch anmutige, stets sparsame Takte oder durch einhämmernde Staccato-Sprechchöre sinnfällig.

Es war nun ein guter Griff des Intendanten Kurt H o r w i t z, wenn er für dieses Spiel von romantisch-barocker Farbigkeit zwei junge Künstler aus der Schweiz engagierte, die beide etwas von jener welschen Mentalität besitzen, die zu dieser Claudel-Adaption geradezu Vorbedingung ist. Der 23jährige Jörg Zimmermann hatte mit besonderem Instinkt für Licht- und Farbwirkungen eine Szenerie mit äußerst einfallsreichen Raumlösungen entworfen, wobei er alle technischen Möglichkeiten der Bühne wie spielend zu nutzen verstand. Da verwandelte sich in anmutiger Weise das immer wiederkehrende Segel im Fond in das Dach einer anderen Szene, wie überhaupt Zimmermann die Verwandlungen zu einem kleinen Spiel für sich gestaltete. Der andere schweizerische Künstler war der ebenfalls noch junge Regisseur Werner Düggelin. Er gehört zu den wenigen deutschsprachigen Inszenatoren, denen es gelingt, die Präzision und die „Schlankheit“ der französischen Sprache auch in einer deutschen Uebertragung noch wirksam zu machen. Subtile Sprache, einleuchtende Szenenführung, die bisweilen ans Choreographische grenzt, und eine sichere Hand für die Führung des Chores, das sind die hervorstechenden Merkmale dieser Inszenierung. Hans Baur, der schon in Orff-Werken Rollen ähnlicher Art zu verkörpern verstand, gab dem Columbus einfache Größe und Energie. Das Bayrische Staatsschauspiel hat im Residenztheater an diesem Abend eine seiner besten Aufführungen gezeigt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung