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25 Millionen in zehn Jahren

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Ärger hätte man das Flüchtlingsthema nicht vermasseln können, als es vorige Woche geschah. Was zur Debatte stand, war die Frage: Wie lösen wir gemeinsam am besten die Asylanten- und Flüchtlingsproblematik in einer allen Österreichern und ebenso den Betroffenen zumutbaren Form? Dazu wäre eine Beratung auf höchster Ebene, an der neben Spitzenpolitikern auch Vertreter der Kirchen, der Gewerkschaften, der Unternehmer und der wichtigsten karitativen Organisationen teilnehmen müßten, immer noch sinnvoll. Gekommen ist es völlig anders.

Die Politiker der Regierungsparteien rissen das Thema an sich und handelten es ausschließlich unter dem Gesichtspunkt ab: Wie bringe ich Jörg Haider parteitaktisch um seine Vorteile? Jeder hatte ein anderes Rezept, Regierung und Parlament spielten Fingerhackeln, Haider blieb Gefangener seiner eigenen Sprüche und Bundeskanzler Vranitzky Gefangener seines journalistischen Leibeinflüsterers. Was herauskam, war dementsprechend eine politische Null-Lösung.

Dabei müßte allen klar sein, daß die Asylantenproblematik auf der Traktandenliste der europäischen Politik für Jahre einen Spitzenrang einnehmen wird. Nur arglose Gemüter können sich einbilden, daß Österreich das einzige Land wäre, dem eine Flüchtlingsschwemme droht. Nach Deutschland sind allein heuer schon zehnmal so viele Einwanderer wie zu uns geströmt, rund eine halbe Million. Und der einstige Sowjet-Osten brodelt...

Frankreich wird von Einwanderern aus Algerien überrannt; in der Gegend um Marseille und in der südlichen Provence machen diese stellenweise schon an die 20 Prozent der Bevölkerung aus. Auch nach Spanien und Italien sind in den letzten fünf Jahren rund 450.000 Afrikaner illegal eingewandert. Entlang Marokkos Mittelmeerküste sind auf hundert Kilometern alle hundert Meter Soldaten postiert, was Spanien zur Abwehr unerwünschter Einwanderer erzwungen hat. In Fischerbooten werden die Emigranten zu Wucherpreisen übers Mittelmeer gesetzt und knapp vor der Küste ins Meer gekippt. Wer schwimmen kann, hat eine Chance. Hunderte schon hatten in diesem Jahr keine.

Das ist die europäische Wirklichkeit, mit der sich ein EG-Innenminister-Krisengipfel Ende November in London befassen wird. Außer Irland ist jeder EG-Staat schon zum Einwandererland geworden. Ob Österreich bei der EG ist oder nicht, wird an seinem Schicksal nichts ändern. Experten rechnen mit 25 Millionen Zuwanderern im EG-Raum in den nächsten zehn Jahren.

Wir aber reduzieren eines der existentiellen Themen europäischer Politik auf die Frage: Wie nehme ich dem bösen Haider-Buben ein Spielzeug aus der Hand?

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