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Aufbruch des Tourismus

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In der internationalen Reisewelt zählt Österreich zweifellos zu den Großmächten! Betrug doch im Jahr 1969 sein Anteil an den gesamten Deviseneinnahmen des Welttourismus zirka 5 bis 6 Prozent! Auch bei den Pro-Kopf-Einnahmen lag Österreich 1969 mit 106 US-Dollar pro Einwohner gemeinsam mit der Schweiz an der Spitze der bedeutendsten Reiseländer. Da wir jedoch bevölkerungsmäßig weniger als 1 Prozent der Einwohner aller Reiseländer stellen und auch die österreichische Wirtschaft in ihren anderen Sparten mit internationalen Größenvergleichen nicht Schritt halten kann, ergibt sich damit die dominierende Rolle, die Österreichs Ausländerfremdenverkehr für das Land heute spielt. Österreich hat stets ein ziemlich hohes Handels- bilanzdeflzit zu verzeichnen, das jedoch immer zu einem großen Teil durch die Nettoeinnahmen aus dem Reiseverkehr abgedeckt werden kann. 1970 waren es 94 Prozent,

1969 sogar 118 Prozent!

Was dies für die Zahlungsbilanz bedeutet, braucht nicht weiter erläutert zu werden. Zweifelsohne ist der Ausländerfremdenverkehr zum wichtigsten Wirtschaftszweig geworden, zum größten einzelnen Ressort im Export, denn Deviseneinnahmen aus dem Tourismus sind als verdeckter Export zu bewerten. Im Jahr

1970 betrug der Bruttoertrag von 59,068.268 Ausländernächtigungen bereits 25.969 Millionen Schilling!

Daß man mit dem Fremdenverkehr gut verdienen kann, hat sich selbstverständlich herumgesprochen. Vor allem sind es die Nationalökonomen und Wirtschaftsplaner in solchen Staaten, die wie Österreich ein chronisches Handelsbilanzdeflzit aufweisen, welche für eine gezielte Förderung des Ausländertourismus in ihrem Land eintreten. Diese Einsichten haben schon längst die Budgetpolitik unserer Konkurrenzländer mitbestimmt, wovon einige Zahlen über die Werbebudgets (1969) bedeutender Konkurrenzländer Auskunft geben: Griechenland 6,092.000, Frankreich

3.828.0, Italien 3,049.000, Spanien

3.0. 000, Schweiz 2,705.000, Bulgarien 2,250.000, Rumänien 2,200.000, Japan 2,072.000. Österreich rangiert mit 1,683.000 an fünftletzter Stelle vor unbedeutender Konkurrenz!

Die Konkurrenzländer geben also ziemlich mehr für die Werbung ihres Tourismus aus, als es Österreich möglich ist.

Jenen Ländern, die ferner von den Hauptherkunftsländem liegen, kommt auch noch jene reisetechnische und reiseökonomische Entwicklung fast ausschließlich zugute, die vor allem eine massive Ausweitung des Flugverkehrs begünstigt. So werden nach den Bestellungen der großen deutschen Reiseunternehmer in der heurigen Saison rund 1,5 bis 1,6 Millionen Deutsche per Charterflug in den Urlaub reisen, was eine Zunahme von 20 Prozent gegenüber 1970 bedeutet. Die Ziele sind dabei fast ausschließlich in den südlichen Ländern gelegen.

Mit riesigen Investitionen versucht man dort die steigende Reiseintensität auszunutzen, wofür etwa der in den letzten Jahren erfolgte Bau von 650 Großhotels an der Costa del Sol, die Schaffung neuer Zentren an der französischen Mittel meerküste oder das Projekt von Strandsiedlungen in Mittelitalien mit 150.000 Betten als typische Beispiele angeführt seien.

Der Tourismus ist zu einer Großindustrie geworden. Es muß sowohl bei der Schaffung neuer Zentren, als auch bei deren Vermarktung nach den Methoden modernen industriellen Managements vorgegangen werden: Um die steigenden Frequenzen bewältigen zu können, hat auch die Technisierung und Kommerzialisierung die Tourismusbranche voll erfaßt.

Dem großen finanziellen Druck der Konkurrenzländer, dem Trend zum Flugtourismus, der Fernziele bevorzugt, können wir einen qualitativen Ausgleich bieten. Die österreichische Atmosphäre, das individuelle, menschliche Eingehen auf den Gast sind Werte, die in zunehmendem Maße von Gästen aus aller Welt besonders im Zeitalter des Massentourismus geschätzt werden. Der hohe Anteil an Familienbetrieben im österreichischen Gast- und Beherbergungsgewerbe stellt dafür ein großes Reservoir dar. Aber nicht nur die Wirtinnen und Hoteliers, die sich ihrer Gäste persönlich annehmen, gehören dazu, sondern genauso auch alle anderen, die Serviceleistungen bieten, vom Skilehrer bis zum Fiaker. Zweifelsohne ist jedoch auch der Qualitätsdurchschnitt unserer Fremdenverkehrsbetriebe merklich angestiegen.

Ungemein erweitert wurde in letzter Zeit auch das Freizeitangebot in den österreichischen Fremdenverkehrsgebieten. Es dominieren dabei die verschiedenen Möglichkeiten zum sportlichen Urlaub, wobei auch immer stärker der Zug zu preisgünstigen Puhktekarten, ähnlich wie bei den Liften im Winter, mit Befriedigung vermerkt werden kann.

Neben den sportlichen Ferienhobbys, von denen als Sondergruppe noch das von nun schon 22 Alpinschulen organisierte Bergsteigen Erwähnung verdient, verlocken auch zahlreiche andere Hobbymöglichkeiten zu einem Urlaub in Österreich. Sie reichen vom Lokomotivfahren und Amateurautorennfahren über Mitwirkung an Blasmusikkonzerten bis zu Kursen für „Bauernmöbelbemalen“.

Damit wird einem großen und vielschichtigen Publikum in Österreich die Möglichkeit geboten, in seinem Urlaub gerade das zu tun, was es daheim entweder aus Zeitmangel nicht in dem erwünschten Ausmaß tut, oder weil es überhaupt sich um neue interessante Möglichkeiten handelt, seine Fähigkeiten ohne beruflichen Leistungszwang vergnüglich und erholsam zu entfalten. Zweifelsohne sind diese Möglichkeiten an sich starke Atouts auf dem modernen internationalen Reisemarkt. Das werbliche Instrumentarium hiezu ist in erster Linie die Selektion in der Werbung, mit deren Hilfe dem interessierten Kunden gezielter und rascher vorgeführt werden kann, was er mehr oder weniger bestimmt für seinen Urlaub sucht. Es haben sich die Sammlung der Winterpauschalangebote durch die österreichische Fremdenverkehrswerbung sowie die Zusammenfassung aller sportlichen Urlaubsmöglichkeiten als sehr wirkungsvoll erwiesen. Selbst Auskunftsunter lagen wie jene über die Möglichkeiten des Hobbyurlaubs, die nur in bescheidenstem Umfang produziert werden konnten, haben einen starken Widerhall gefunden. Die österreichische Fremdenverkehrswerbung (ÖFVW) hat diesen Weg schon vor sechs Jahren eingeschlagen und man darf wohl sagen, daß er zum Erfolg geführt hat.

Österreich kann den Nachteil geringerer finanzieller Mittel für die Werbung gegenüber seiner Konkurrenz durch eine Rationalisierung und Technisierung weitgehend auffangen, die gerade alle Vorteile des österreichischen Anbotes voll auszuschöpfen erlaubt.

So wird die ÖFVW nun, wenn auch zunächst mit einer kleinen technischen Anlage, die Möglichkeiten der elektronischen Datenverarbeitung aufgreifen, um damit das Gesamtangebot rascher und umfassender marktkonform sortieren zu können. Dies wird sowohl die Stellung von Anboten im Sinne einer Verkaufswerbung erleichtern, die den Urlaub als fertige Markenware auf den Markt bringt, als auch den Auskunftsdienst des Zweigstellennetzes noch effektiver gestalten.

Die ÖFVW wird besonders in der gegenwärtigen touristischen Hochkonjunktur in verstärktem Maße ihre Werbung auf die weißen Flek- ken auf der touristischen Landkarte richten, wobei nicht nur die bisher weniger frequentierten Gebiete gemeint sind, sondern auch die Vor- und Nachsaison.

Die konkurrenzlose Vielfalt und Individualität des österreichischen Anbotes, die als unser größter Aktivposten betrachtet werden kann, würde durch eine Kopierung von dergestalt massierten Erschließungsmaßnahmen, wovon schon einige Beispiele genannt wurden, eher beeinträchtigt werden. Sie kann da gegen durch eine Ausnützung der Methoden der modernen Wirtschaft auf dem globalen Reisemarkt sich als besonders wertvolles Kapitel erweisen, und man darf wohl behaupten, daß Österreich somit keinesfalls unvorbereitet auf der Schwelle des Industriezeitalters des Tourismus steht.

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