6845152-1976_16_04.jpg
Digital In Arbeit

Austroscop

Werbung
Werbung
Werbung

etwas durchaus anderes auf: nämlich mehr und mehr Staat — auch Staat im Staat, zu allem Überfluß — überwuchert den Menschen, Verheißener Machtabbau führt zu unvorstellbarem Machtzuwachs im Großen wie im Kleinen, zu gigantischen Machtballungen und ebensolchen Machtmißbräuchen. Angestrebte Transparenz der Macht verstärkt ihre Verdunkelung, ihre Un-durchsichtigkeit. Im Heilszeichen des Sozialismus verarmt das Soziale, das in der „anima christiana naturaliter“ wurzelt.

Das ist die negative Dialektik der gesellschaftlichen Entwicklung, die sich mit den Siebenmeilenstiefeln eines sieben Mal sieben Mal verfluchten „Fortschritts“ von den geistigen Quellen der Ideen entfernt und in der ausgebrannten Kraterlandschaft des Materialismus nach der Erlösung des Menschen durch den Menschen Ausschau hält: vergeblich natürlich. Die dialektischen Materialisten hüten sich, dieser Dialektik ins Auge zu schauen: Auch die Idealisten steckten ihre Köpfe in den Sand, während das Perpetuum mobile der Kriege und Klassenkämpfe über die Menschheit losbrach. Es dauert noch fort: Idealisten und Materialisten zum Trotz und zum Gespött, und die Kreuzigung der Demokratie gibt ihm weiteren Auftrieb.

Indes: ein Ostermorgen der Demokratie könnte die Wende bringen. Auch er ist angebrochen: zaghaft einstweilen, aber hoffnungsvoll. Da und dort läßt er einen tröstlichen Lichtschein aufdämmern.

Das geschieht, wo Macht zerbrochen wird, wo Menschen den nie aussichtslosen Kampf gegen die Diktatur aufnehmen: auch — ja, mehr noch: erst recht — gegen die Diktatur, ihre Ansätze und Wucherungen inmitten der Demokratie.

Ein jeder kann mithelfen, das Licht dieses Ostermorgens in die Gemeinschaft zu tragen und von Hand zu Hand, von Mensch zu Mensch, von Staatsbürger zu Staatsbürger weiterzureichen. Denn wir alle sind der Staat, wir alle sind die Demokratie, wir alle sind die Menschheit, die sich zwar nicht selbst erlösen, wohl aber selbst verdammen und vernichten kann.

Der Ostermorgen der Demokratie ruft nach immer mehr engagierten Demokraten, nach politisch verantwortungsbewußten Menschen und Staatsbürgern, die an der Entwicklung der Gemeinschaft, am polirischen Leben teilnehmen: Tag für Tag, nicht nur passiv, durch den fragwürdigen, wenn nicht sogar ausgesprochen schädlichen Genuß der manipulierten Produkte selbst manipulierter Massenmedien, sondern aktiv, durch selbständige Meinungsbildung und ein ungeniertes Eingreifen in die Politik, wo immer sich dazu eine Gelegenheit anbietet oder aufspüren und herausfordern läßt.

Der Staatsbürger, der sich nur hin und wiederum bei Wahlen politisch abreagiert (mitunter negativ), wird% mitschuldig, wenn die Demokratie ans Kreuz geschlagen werden kann. Urnengänge, so wichtig sie sind, reichen heutzutage nicht aus, den Ubermut der Mächtigen zu zügeln und die Macht selbst im Griff zu behalten, was jedem von uns zusteht: kraft unserer Verfassung, in der es heißt, daß die Macht vom Volk ausgeht.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung