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Beruf der Zukunft

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FURCHE: Der Begriff „kulturelles Management“ wird immer häufiger gebraucht. Was verbirgt sich dahinter?

KARL RICHTER: Kulturelle und künstlerische Prozesse waren immer von wirtschaftlichen durchdrungen - das wurde mit deutschem Idealismus schamhaft verschwiegen. Der kulturelle Manager soll Diener der Kunst sein, helfen, daß Entstehendes zutage tritt. Künstlerisches sinnvoll organisiert und geplant wird. Auch Sponsoring und Mäzenatentum sind in diesem Zusammenhang wichtig.

FURCHE: Würden Sie das kurz an einem Beispiel erläutern?

RICHTER: Wenn zum Beispiel eine Brauerei Rockmusik fördert, indem sie junge Rockgruppen durch Weiterbildungsangebote, Probenräume und Auftrittsmöglichkeiten publikumswirksam unterstützt, dann ist das ein Modell für betriebliche Kulturförderung sowie für erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit eines Betriebes. Das eine nützt dem anderen. Das ist „Sponsoring“. Die Aufgabe des Managements besteht darin, für das richtige Projekt den richtigen wirtschaftlichen Partner zu finden sowie für eine kostengünstige Verwendung der vorhandenen Mittel zu sorgen.

FURCHE; Soll das österreichische Kulturleben demnach am Broadway-Kommerz orientiert werden?

RICHTER: Nein. Aber die Förderung durch kommunale und staatliche Subventionen kann ergänzt werden durch private Leistungen. Die Kulturgeschichte ist voll solcher Beispiele. Das darf freilich nicht zur Reduktion der öffentlichen Subventionen für Kultur führen. Aber auch die Organisationsform mit Produzentenrisiko ist nicht neu, schon Shakespeares Theater produzierte damals Weltliteratur und wurde für seine Aktionäre zur gewinnbringenden Geldanlage. Worum es heute geht, ist eine Modernisierung der Organisations- und Finanzierungsformen im Kulturbereich bei völliger Sicherstellung künstlerischer Freiheit.

FURCHE: Sie haben einmal daraufhingewiesen, daß zumBei-spiel in Nordrhein-Westfalen durch die Theater 626 Millionen Mark induzierte Ausgaben an die nordrhein-westfälische Wirtschaft fließen.

RICHTER: Ja, Kultur ist ein Wirtschaftsfaktor. Wir dürfen aber auch nicht vergessen, daß die Wirtschaft einen Teil unseres kulturellen Befindens bestimmt. Dadurch wird kulturelles Management erst richtig gefordert. Es ist ein Wechselverhältnis. Durch ästhetische Animationsprozesse werden wirtschaftliche Entwicklungen angeregt - und umgekehrt. Nehmen wir nochmals ein historisches Beispiel: den Zusammenhang von Zentralperspektive in der Renaissance als Voraussetzung nicht nur für Entwicklungen in der Malerei, sondern mit Auswirkungen auf die Geometrie, die Kartographie und die nautischen Weltentdeckungsfahrten mit all ihren wirtschaftlichen und kulturellen Folgen. Denken Sie etwa in unserer Zeit an den Beruf des Designers, der Wirtschaftsprozesse anregt, wie die Technologie ihrerseits Vorbedingungen von Kunst schaffen kann: Eltektronische Musik ist dafür ein Beispiel.

FURCHE: Sie leiten den Lehrgang für Kulturelles Management an der Wiener Musikhochschule, Wie unrd unterrichtet?

RICHTER: Praxisbezogen. Kulturmanager zu sein bedeutet, lebenslang zu lernen. Dafür die richtigen Voraussetzungen zu schaffen, ist unsere Aufgabe. Im Lehrgang gibt es die Möglichkeit, das Kulturmanagement des In-und Auslandes kennenzulernen. Verlags- wie Museumsleiter, Theaterintendanten und Konzertmanager, Sponsoren und Mäzene sollen mit den Studenten in Beziehung gebracht werden. Im Lehrgang geht es um ein vitales Lehr- und Lernsystem.

FURCHE: Läßt sich ein Idealbild dieses Zukunftsberufes beschreiben?

RICHTER: Es handelt sich um einen Menschen, der Lust am Management hat, verliebt ist in eine künstlerische Idee und sie erfolgreich auf die Beine stellen will. Der Kulturmanager ist ein Mensch, der planen, finanzieren und organisieren kann, der bereit ist, ein Risiko zu tragen beziehungsweise dies abzusichern — ein sehr zeitgemäßes Berufsbild.

FURCHE: Warum?

RICHTER: Wie wir wissen, wird die Zukunft von vier Faktoren zunehmend bestimmt: Neue Technologien, Massenmedien, Arbeitszeitverkürzungen und höhere Lebenserwartung. Das bedeutet, daß der allgemeine Freiraum für kulturelle Bedürfnisse immer größer wird. Entsprechend gekonnt müssen die Organisations- und Finanzierungsformen für diese weitgesteckten Ziele sein.

FURCHE: Wie ist diese Entwicklung zu steuern?

RICHTER: Wir haben 1986 in der Bundesrepublik mit der Vorbereitung des Handbuchs Kultur ‘90 begonnen und Handlungsmodelle für die kommunale Kulturarbeit aufgezeigt. Es kommt darauf an, gemeinsam mit allen kulturellen Einrichtungen, voran den künstlerischen Instituten und der freien Kulturszene, die Sensibilität, die Anlagen für Phantasie, die persönliche Eigenleistung zu fördern und weiterzubilden. Nur dann kann den technokratischen Entwicklungen entgegengewirkt werden. Wenn die Städte nicht in einer Freizeit- und Bildungskatastrophe untergehen wollen, muß die Kulturpolitik zum Zentrum der Kommunalpolitik werden. Es geht darum, neue Bündnisse einzugehen, mit den neuen Möglichkeiten zu spielen und Kultur und Wirtschaft, Kreativität und Verwaltung unter einem Ziel zu sehen: der Bewahrung und Entwicklung einer humanen Lebenswelt.

Karl Richter, in München geboren, war Programmredakteur, Produktionsleiter, Dramaturg, Verlagsleiter und ist seit 1974 Geschäftsführer des Sekretariates für gemeinsame Kulturarbeit in Nordrhein-Westfalen und Mitglied des Landesmusikrates. Er lehrt an den Universitäten Köln und Witten und ist als Gastprofessor nun Leiter des Lehrganges für Kulturelles Management an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien.

Mit Karl Richter sprach Ulf-Diether Soy-ka.

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