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Buch Stenogramm

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Widerstand im Waffenrock

Der Widerstand der Österreicher gegen den Nationalsozialismus gab in 30 Jahren Stoff für zahllose Untersuchungen. Nun behandelt in „Widerstand im Waffenrock“ Friedrich Vogl im Rahmen der Reihe „Materialien zur Arbeiterbewegung“ des Ludwig- Boltzmann-Instituts für die Geschichte der Arbeiterbewegung die Aktivitäten, die von österreichischen Angehörigen der Deutschen Wehrmacht begangen wurden. Im Mittelpunkt stehen die Dokumente zu den Ereignissen des 20. Juli 1944 in Wien und die Aktionen zur Herbeiführung einer kampflosen Übergabe Wiens. Ergänzt wird mit einer Vielzahl von Einfällen bekannter und unbekannter Soldaten - solcher, die ihren Widerstand mit dem Leben bezahlten, und anderer, die Glück hatten. Franz Jä- gerstätter, durch den Fernsehfilm der großen Öffentlichkeit erst richtig bekannt geworden, steht für die einen, Roger Kerber - hier fälschlich als „Kerbler“ bezeichnet (wenn auch im Anhang berichtigt) -, später erster Direktor des wiedergegründeten Theresianums, für die anderen. Die Auswahl scheint willkürlich - warum fehlt Fritz Molden? Ein Personenverzeichnis könnte die Suche nach Namen erleichtern. Schließlich wurde die Version, wonach General Zehner am 10. April 1938 ermordet worden sei, schon vor 25 Jahren im Prozeß gegen die beiden Polizeibeamten, die ihn verhaften sollten, widerlegt. (Europaverlag, Wien 1977, 252 Seiten, öS 148,-.)

Kriminologische Gegenwartsfragen

Den Themenkreis „Straf- und Maßregelvollzug: Situation und Reform, Kriminologie und Kriminalistik“ und „Kriminologie und Stafver- fahren“ sind die beiden neuen Hefte der verdienstvollen Schriftenreihe „Kriminologische Gegenwartsfragen“ gewidmet. Beide Publikationen enthalten gesammelte Kongreßreferate und spiegeln somit unverfälscht die ganze Kontroversialität, mit der diese Gegenstände heute behandelt werden. Heft 11 wurde von H. E. Ehrhardt und H. Göppinger, das andere (12) von H. Göppinger und G. Kaiser herausgegeben. (Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart, 205 bzw. 252 Seiten, öS 369,60 bzw. 531,30.)

Geschwätzig in den Tod

Die Veröffentlichung der „Tagebücher 1945“ von Joseph Goebbels konnte nicht ausbleiben. Sie ist auch wichtig - das Auftauchen der lange Zeit verloren geglaubteh „letzten Aufzeichnungen“, denen weitere Tagebücher von Hitlers „Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda“ folgen werden, war selbstverständlich Grund genug, sie auch der Öffentlichkeit vorzulegen, auf daß jeder sich ein Urteil über den Urheber bilden könne. Allerdings bringt zumindest dieser erste Band sachlich kaum Neues. Als Quelle zur Psychologie dessen, der Hitler nicht nur am längsten die Treue hielt, sondern zweifellos auch von Sillen unter Hitlers „Paladinen“ psychologisch am stärksten auf Hitler fixiert war, ist der Inhalt dieser Aufzeichnungen allerdings interessant.

Bis wenige Tage vor dem gemeinsamen Selbstmord des Ehepaares Goebbels, das alle Kinder mit in den Tod nahm, schwankt er zwischen

Hoffnung und Resignation, besser: nackter Angst. Der Haß, den Goebbels sein kurzes politisches Leben lang so hervorragend als Instrument der politischen Propaganda einzusetzen verstand, bricht in seinen letzten Aufzeichnungen unvermittelt und unkontrolliert hervor, wenn er - etwa am 14. März 1945 - der seine Aufzeichnungen mitschreibenden Sekretärin diktiert, Juden müsse man „wie Ratten totschlagen“.

Vor allem aber ist Goebbels angesichts des Todes ein Katarakt leerer Worte, flüchtet in einen nicht endenwollenden Redefluß, referiert in einem wilden Kunterbunt die militärische Lage, streut seine eigenen politischen Kommentare ein, die niemand mehr hört und hören will; es ist ein einziger, insgesamt erschütternder, im einzelnen aber langweiliger Leerlauf angesichts der großen Leere. (Hoff- mann und Campe, Hamburg, 606 Seiten, 7 Faksimiles, 8 Karten, Zeittafel, Einführung von Rolf Hochhuth, öS 277,20.)

Bedrohte Auwälder

Europas letzte Urlandschaften, die Auwälder, drohen nun auch verlorenzugehen. Auch in Österreich fehlt es noch immer am notwendigen Verständnis für die Notwendigkeit schneller und wirkungsvoller Schutzmaßnahmen; Industrie, Damm- und Autobahnbauten rücken mm auch der Wiener Lobau zu Leibe. Das Buch „Grüne Wildnis am großen Strom“ von Elfrune Wendelberger kommt gerade zurecht, um eine Überprüfung allzu rücksichtsloser Entscheidungen herbeizuführen - wenn es gelesen wird, was diesem für alle Freunde des Auwaldes ebenso wie für Menschen, die ihn erst kennenlernen wollen bestimmte Werk von Herzen zu wünschen ist. (Niederösterreichisches Pressehaus, St. Pölten 1977, 160 Seiten, 39 Vierfarbtafeln, öS 285,-.)

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