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Verdrängtes Thema

Zu den verdrängten zeitgeschichtlichen Themen zählt die Geschichte der deutschen Geisteswissenschaften unter Hitler. Erst das Auftreten einer Generation moralisch und psychologisch unbelasteter Gelehrter ermöglicht der deutschen Wissenschaft die Reflexion ihrer eigenen Rolle im NS-Staat. „Nationalsozialismus und Antike“ von Volker Losemann (Jahrgang 1942) ist ein außerordentlich gründlich erarbeiteter Beitrag zu diesem Thema. Losemann behandelt das hochinteressante und oft verwirrende Wechselspiel zwischen Hitlers Antike-Obsession und der Förderung beziehungsweise Gängelung der althistorischen Disziplinen an den deutschen Universitäten und die vielfältigen Rivalitäten zwischen Kompetenten und Stäben, die sich Kompetenzen anmaßten und sich etwa im militärisch überrannten Griechenland als Kunsträuber verhielten. (Hoffmann und Campe, „Historische Perspektiven“ Band 7, Hamburg 1977, 283 Seiten, öS 369,60)

Bildsymbolik

Ein grundlegendes Werk zum Studium der Zusammenhänge zwischen dem Alten Testament und dem breiten Strom der Uberlieferungen, in die es eingebettet und ohne deren Kenntnis es nicht zu verstehen ist, liegt nun in einer verbesserten; vor allem aber erschwinglichen Paperback-Ausgabe vor. „Die Welt der altorientalischen Bildsymbolik und das Alte Testament - Am Beispiel der Psalmen“ von Oth-mar Keel ist, über den exegetisch interessierten Leserkreis weit hinaus, ein Kopendium von außerordentlichem Wert für jeden, der sich für die verschiedenen Formen bildhaften Ausdrucks religiöser Ideen (im weiten Sinne) im alten Orient interessiert, da hier auf 24 Tafeln, vor allem aber in nicht weniger als 524 Strichzeichnungen im Text, eine unvergleichliche Fülle von Primärmaterial ausgebreitet wird. (Benziger Verlag gemeinsam mit Neukirchener Verlag, Zürich 1977,392 Seiten, öS 369,60)

Ein Meer von Zeit

Man weiß: Wenn man die ganze Geschichte der Erde auf ein Jahr verkürzt, dann wurden vor 34 Sekunden die Pyramiden gebaut, wurde vor 15 Sekunden Christus geboren, begann die technische Revolution vor knapp einer Sekunde - während das Leben immerhin bereits Ende Juni entstand und Anfang November das Urmeer verließ. Verkürzt man die Erdgeschichte auf einen einstündigen Film, entspricht die Fünfundzwanzigstelsekunde eines jeden Filmbildes gar 40.000 Jahren. In seinem Buch „Planet im Meer der Zeit - Die Story der modernen Erdforschung“ beschränkt sich Heinz Haber freilich nicht auf solche Zahlenspielereien, sondern gibt einen populären, aber seriösen Uberblick über den gegenwärtigen Wissensstand in Sachen Erdgeschichte. (Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart, 140 Seiten, 58 zum Teil mehrfarbige Abbildungen, öS 229,50)

Göttliche Komödie

Fünf Jahrzehnte lang hat sich Karl Vossler mit der „Göttlichen Komödie“ des Dante Alighieri beschäftigt, ehe seine Gesamtübersetzung vorlag, gegen die zwar die Romanisten man-

ches einwenden mögen, die aber Schwung hat. Vossler nützte jedenfalls die Freiheit, die er sich nahm, um modernes Sprachgefühl zur Geltung zu bringen. Schockierend wie einst der Text wirken heute die Illustrationen des 1926 geborenen Michael Mathias Prechtl: Häßlichkeit ist hier Stilmittel, wird aber niemals gedankenlos, modisch, eingesetzt. Bemerkenswert der knappe, aber inhaltsreiche Anmerkungsapparat. Insgesamt: Eine Ausgabe von hohem bibliophilem Reiz. (Paul List Verlag, München 1977, 544 Seiten, 34 Illustrationen, öS 306,50).

Weltreiche

Mit den Bänden 4 („Der Aufstieg Roms und das Imperium“) und 5 („Weltreiche des Glaubens“) setzt der Südwest-Verlag die Neuherausgabe der „Kulturgeschichte der Menschheit“ von Will und Ariel Durant fort. Auch an diesen Bänden besticht vo r allem die Frische der Darstellung und die Unbekümmertheit der Stellungnahmen. Viele Details regen zu Gedanken an. Im Band 4 etwa der Hinweis auf die Mindestzahl von 5000 Feinden, die ein Feldherr hingemetzelt haben mußte, um bei der Heimkehr als „Triumphator“ gefeiert werden zu können (wer seine taktischen oder strategischen Ziele mit einem geringeren Blutzoll erreichte, mußte sich mit einem zu seinen Ehren geopferten Schlaf zufriedengeben) oder die (damaligen) Meinungsäußerungen über die Gladiatorenspiele, die von vielen Menschen als „Schule der Tapferkeit“ und Abhärtung des Volkes verstanden und nur von Empfindsamen'wie Cicero (vorsichtig) kritisiert wurden. Und die an heutige Auseinandersetzungen über den Stierkampf erinnern. (Südwest-Verlag, München, 504 bzw. 640 Seiten, reich illustriert, Subskriptionspreis je öS 229,50, Einzelpreis öS 277,20)

Leben des Geistes

Ein Bildband - einmal anders: Nicht nur „schön“ (das natürlich auch, ohne Einschränkung oder Abwertung), aber eine geistige Schule des Sehens. Der Versuch, das „Leben des Geistes“ in Bildern von Mensch und Kunst, schöpferischer Kultur und geistiger Leistung einzufangen und mit Bildanalysen zu kommentieren, ist Heinrich Rombach bestens gelungen. „Ein Buch der Bilder zur Fundamentalgeschichte der Menschheit“ - so lautet der Untertitel des graphisch hervorragend gestalteten Großbandes „Das Leben des Geistes“ von Heinrich R o m b a c h. Nicht von ungefähr geht er vom Antlitz des Menschen aus und entwickelt eine Art BildpMlosophie als Weltbildforschung auf dem Boden der Strukturanthropologie. Der Mensch ist Mitschöpfer seiner selbst, Exponent höherer Zusammenhänge -es geht um die Möglichkeiten und Grundkräfte der Schöpfung, die Menschen-, Welt-, Gottes- und Sinngeschichte zugleich ist. Das Kreuz und der Geist der Liebe haben darin ihren unverrückbaren Platz, das Alte und das Kommende bieten hoffnungsvolle Ausblicke in die Zukunft einer sich wandelnden Welt. Ein wirklich „erlesener“ Band von hoher Aussagekraft, ein außergewöhnliches Buch. (Verlag Herder, Wien-Freiburg 1977, 304 Seiten mit 384 Abbildungen, öS 754,60)

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