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Digital In Arbeit

Computer-Demokratie

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Durch den Einsatz der Mikroelektronik und insbesondere der Informationstechnik dürften in den nächsten 20 Jahren beispiellose Revolutionen in der Arbeits-, Sozial- und Umwelt ausgelöst werden, die manche Fachleute gravierender als die industrielle Revolution im vorigen Jahrhundert einschätzen.

Die Wende ist schon da, und zwar von der Industriegesellschaft zur Informationsgesellschaft. Der Einsatz der Informationstechnik wird einen anhaltenden Produktivitätsfortschritt bringen. Immer weniger Hände produzieren für eine zum Großteil mit materiellen Gütern gesät-

tigte Wohlstandsgesellschaft mit Hilfe intelligenter Maschinen immer mehr.

Die Arbeitskräftewanderung vom primären Sektor in den sekundären Sektor und später in den tertiären Sektor scheint aber beim Eintritt in den quartären Sektor ins Stocken zu geraten. Viele Arbeitskräfte erreichen nicht mehr die Arbeitsmärkte des quartären Sektors und werden damit aus dem Prozeß der primären Einkommensverteilung hinausgedrängt.

Wie gerecht wird hier die sekundäre Einkommensverteilung sein und wie groß wird die Solidarität der privilegierten Gruppen sein, die eine Arbeit haben?

Seit Jahren basteln Verfassungsstrategen an einem neuen Wahlrecht. Besonders die ÖVP hat sich vor der Wahl für das Persönlichkeitswahlrecht und die

Stärkung der direkten Demokratie stark gemacht. Ob aber die repräsentative Demokratie in dieser Form zur Jahrtausendwende durch die Informationstechnik nicht ad absurdum geführt ist, scheint zumindest im Bereich des Möglichen.

Gehen wir einmal davon aus -was technisch bereits realisierbar ist -, daß zum Beispiel über Bildschirmtext ein Volksdaten- und -kommunikationsnetz errichtet wird, das es jedem Haushalt möglich macht, über Telefon mit einem um einige tausend Schilling adaptierten Fernsehgerät, das als Bildschirm dient, und mit einer „intelligenten“ Tastatur, die als Eingabemedium dient, in dieses flächendeckende Kommunikationsnetz eingebunden zu werden.

Dies würde es ermöglichen, ohne großen Aufwand politische „Produkte“ zur Diskussion zu stellen und gegebenenfalls darüber Volksbefragungen und Volksabstimmungen durchzuführen. Das Volk braucht sich nicht mehr vertreten lassen. Auf den Einwand von Zweiflern, daß damit das geheime und persönliche Wahlrecht gefährdet sei, antwortet der Kommunikationswissenschafter Klaus Haefner (siehe auch seinen Beitrag auf Seite 14): einer Gesellschaft, die gerade dabei ist, das Weltall zu erobern, dürfte es nicht schwerfallen, einen entsprechenden Entschei-dungs- und Abstimmungsmechanismus zu finden.

Mehr Bürgernähe ist ein Schlagwort öffentlicher Verwaltungen geworden. Die Realisierung dieses Schlagwortes ist durch die moderne Informationsund Kommunikationstechnik gleichfalls nähergerückt.

Will heute ein Bürger (zum Beispiel auf dem „flachen“ Lande) etwas erledigen, wofür eigentlich eine Bezirks- oder Landesbehör-de zuständig ist, so muß er sich -zumindest in wichtigen Angelegenheiten — zu dieser Behörde hinbewegen, womöglich mit seinem eigenen Fahrzeug. Neben einem großen Zeitaufwand verbraucht er vor allem auch Energie und — weil immer noch nicht Benutzer eines Katalysator-Autos — schädigt noch dazu die Umwelt.

Dieses Problem löst die Einrichtung von Bürgerämtern. In einem Bürgeramt erfüllt ein Beamter an einem Schalter verschiedenste Agenden, wie zum Beispiel Aufgaben aus dem Meldewesen, aus dem Sozialwesen, aus dem Bauamt. Der Bürger muß nur ein Amt und einen Schalter aufsuchen. Da alle wichtigen Informationen digital gespeichert und verarbeitet werden („papierlose Verwaltung“), sind alle den Bürger betreffenden Informationen über ein flächendeckendes Kommunikationsnetz allerorts und jederzeit verfügbar.

Dem Bürger wird es in Hinkunft möglich sein, durch Information und Kommunikation von der Wohnung, vom Arbeitsplatz und

vom Betrieb aus Leistungen der Verwaltung zu beanspruchen. Amts- und Sprechstunden gehören der Vergangenheit an.

Unbestreitbar wird die Nutzung der Mikroelektronik und der Informationstechnik eine unbedingte Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft sein und damit einen wesentlichen Beitrag zur sozialen Sicherheit in unserem Lande leisten.

Auch die Lösungsmöglichkeiten vieler Probleme, wie zum Beispiel die des Problemdreiecks „Ökologie — Rohstoffverbrauch — Ökonomie“, werden vergrößert werden. Damit wird die Informationstechnik zu einem wichtigen demokratiestabilisierenden Faktor. Im Rahmen einer Tagung der ADV (Arbeitsgemeinschaft für Datenverarbeitung) zum Thema „EDV für Umweltschutz und Energiewirtschaft“ wurde deutlich: durch die Nutzung dieser Technik kann eine große Verbesserung der Ressourcennutzung und eine Schonung der Umwelt erreicht werden (siehe auch Herwig Raab: „Die Zukunfts-Simulation“, Seite 17).

„EDV statt Staustufe Wien?“: bei ernsthafter Prüfung scheint diese Alternative möglich — und ein innenpolitischer Konflikt weniger wahrscheinlich.

Der Autor ist Generalsekretär der .Arbeitsgemeinschaft für Datenverarbeitung“ (ADV).

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