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Das Land zwischen A and O

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Aufmerksame, die ihren Fernsehkonsum bisweilen auch auf das pausenfüllende Emblem unserer Rundfunkanstalt ausdehnen, werden es schon bemerkt haben: das O, jener ansonsten runde, hier aber kantige erste Buchstabe des markigen Dreiletternschrift-zuges ORF, hat in seiner mattsilberglänzenden Oberkante seit geraumer Zeit einen Depscher.

Daß es gerade das O ist, das diesen — zugegebenermaßen geringfügigen — Makel aufweist, mag Symbolgläubigen zu denken geben. Schließlich steht es, sich international darbietend, abkürzend für „österreichischer“, entbehrt also in möglicherweise falsch verstandenem Verstanden-werdenwollen der nur wenigen Sprachen eigenen Umlaut-Stricherln oder -Punkterln.

Daß dieses O grafisch uneben und vernachlässigt sich darbietet, und das seit Monaten, von dafür Verantwortlichen ignoriert, ist zumindest merkwürdig.

Andere inländische Institutionen, dem ö, von Dellen einmal ganz abgesehen, nicht abhold, mögen allerdings zur ORF-eigenen Verleugnung dieses Buchstabens beigetragen haben, denkt man etwa an Schreibweise und Erfolge der Vöst oder Vöest, die immerhin aus den Hermann-Gö-ring-Werken erwachsen sind, wo —damals in der ö-losen Ostmark— der fragliche Umlaut ja schon recht hörbar enthalten war.

Eher schön wäre das verschämte Ausweichen auf OE, beispielsweise von unserer Nationalbank praktiziert, eine Schriftlösung, die jedoch vordergründig bleiben muß, akustisch keinerlei Nutzen bringt und mit einer Leseverzögerung lediglich eines Sekundenbruchteils die Täuschung umso deutlicher macht.

Wenn wir uns also in anderen Abkürzungen aufs Lateinische berufen und dem umgelauteten O geflissentlich aus dem Wege gehen, mag das legitim sein, solang wir dadurch in der Reihe der internationalen Autokennzeichen mit dem A für Austria den ersten Rang einnehmen und uns damit — Zusatznutzen sind beabsichtigt — phantastisch identisch ebenso des weltsprachlichen Englisch-Amerikanischen bedienen.

Fatal wird es schon bei der nicht mehr lange monopolisierten Luftlinie, deren Schmerzensruf AUA in der eigentlichen Luftsprache mit OS ohnehin wieder das ominöse O aufweist.

Die bereits sprichwörtliche Verwechslung unseres bescheidenen Heimatlandes mit dem Kontinent Australien wird ja seit einem sonderbar eifrig betriebenen grenzüberschreitenden Breittreten und Breittretenlassen inner-austriakischer Hundstrümmerln immer mehr in den Hintergrund gedrängt. Man muß wohl dankbar sein.

Dergestalt zwischen dem Primus A und dem bei den alten Griechen immerhin als Schlußlicht des Alphabets rangierenden O, zwischen einem Ausruf der angenehmen Empfindung und einem solchen des ebenso angenehmen Erstaunens hin- und herschwankend, scheinen Überlegungen zum derzeitigen österreichischen Selbstbewußtsein angebracht zu sein. Und zwar wenigstens nach außen, da es bekanntlich niemanden was angeht, wie's drin aussieht.

Seit Claus Peymann weht demnach auf dem jedem Taferlklaß-ler bekannten Haus am Wiener Ring eine Fahne mit der informativen Aufschrift „Burgtheater“, ein Exempel für das vorhin Gesagte, wie es schöner nicht sein könnte. Ein Exempel auch für die vor kurzem ins Leben gerufene K. K., was, österreichisch Vorbelasteten sei's gesagt, lediglich Koalitions-Kommission heißt. Sie soll ja die Art und Weise bestimmen, in der wir allesamt jenes bald fünfzig Jahre zurückliegenden Tages zu gedenken haben werden, an dem, nun ja, an dem uns die Ö-Stricherln abhanden gekommen sind.

Und da wird es schlicht darauf anzulegen sein, das Österreich-Bewußtsein, das Bewußt-Öster-reicher-Sein, ganz ohne Uberschwang und ohne bezeichnenderweise einem Lustspiel zu verdankenden Chauvinismus ein bis-serl auf Touren zu bringen.

Das wird weder eine „Mir-san-mir“-Verordnung tun können oder auch nur dürfen, noch könnte die Zuweisung eines Trutzwinkerls dazu beitragen, die, voll der Harne, statt des O das A mit Um-lautstricherln versehend, ein boshaftes Ätsch zur Folge hätte.

Das Herzeigen des eigenen sauberen Tisches, den wir nämlich haben und den wir uns bei der Gelegenheit durchaus auch selber, möglicherweise staunend, anschauen dürfen, reicht völlig aus.

Ganz nebenbei wird sich dann vielleicht, da eine g'sunde Portion Eitelkeit nicht schadet, im Rahmen der eben einsetzenden Rundfunkreform die kosmetische Reparatur des Televisions-0 ganz von selbst ergeben.

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