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Der Rabbi und das entrückte Liebespaar

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Am 13. September 1993 hat in der Linzer Ursulinenkirche „Das Hohe Lied”, bezeichnet als „Szenische Meditation über die Liebe”, seine Uraufführung. Die Texte nach der Heiligen Schrift zusammengestellt und bearbeitet hat Peter Paul Kaspar, Gunter Waldek hat die Musik dazu geschrieben.

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Am 13. September 1993 hat in der Linzer Ursulinenkirche „Das Hohe Lied”, bezeichnet als „Szenische Meditation über die Liebe”, seine Uraufführung. Die Texte nach der Heiligen Schrift zusammengestellt und bearbeitet hat Peter Paul Kaspar, Gunter Waldek hat die Musik dazu geschrieben.

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Das Werk, das im Auftrag des Landestheaters Linz entstanden ist, gliedert sich in einen Prolog, fünf Szenen und vier Interludien. Dem dramaturgischen Konzept des 1942 in Wien geborenen Theologen Kaspar liegt die Liebesbeziehung eines jungen Paares zugrunde, das zwischen Anfang und Ende durch visionäre Bilder seiner Liebe und Leidenschaft der Realität entrückt wird. Für die „Spielszenen” wurden Texte aus dem Hohen Lied verwendet, während jene, die der Rabbi spricht und singt, anderen Teilen der hebräischen Bibel - der Genesis, den Büchern Kohelet und Jesus Sirach sowie dem Buch der Sprichwörter - entnommen wurden.

Die Spielhandlung beruht daher ausschließlich auf der jüdischen Überlieferung. Der Figur des Rabbi fällt die Rolle eines Weisen zu, der versucht, die Welt der Liebenden mit ihrer Erotik und Sexualität in den Kosmos des Lebens und Zusammenlebens einzubinden.

Und obwohl im Hohen Lied bekanntlich nicht von Gott die Rede ist, so wird man, einem Interpretationsversuch des Autors zufolge, bei der Betrachtung der Welt, der Menschen und der Liebe dennoch etwas über Gott erfahren.

Die allegorische Deutung dieser Sammlung von kürzeren und längeren Liebesliedern, Tanzliedern, Dichtungen und erotischen Fragmenten aus verschiedenen Zeiten - Interpretationen hat es später sowohl von Seiten des Judentums wie des Christentums gegeben - möchte Kaspar dem Publikum überlassen. Allerdings: Eine „Störy” ließ und läßt sich daraus nicht konstruieren. Kaspar hat für sein Buch daher Texte mit Bedacht auf ihre Sangbarkeit aus dem Zusammenhang gelöst und neu angeordnet.

Auf diese Weise hat er eine stimmungsvolle „Liebesgeschichte” geschaffen, deren Handlungsbogen sich trotz seiner Zartheit als tragfähiges Gewölbe für die Komposition erweist: Lyrische Miniaturen einer Seelenlandschaft und erotischer Begegnungen unter Einbeziehung aller theatralischen Möglichkeiten.

Sängergerechte Partien

Daß das Gesamtwerk, dessen Textteile hebräischer Kultur und Religion entstammen, im barocken Ambiente einer christlichen Kirche aufgeführt werden kann, sieht Kaspar als bemerkenswert an. Lediglich der Orgelklang, der hauptsächlich bei meditativen Stellen und Bibelzitaten verwendet wird, dürfte als christliches Element empfunden werden.

Auf das tragende Prinzip der Komposition angesprochen, erklärt der 1953 in Linz geborene Gunter Waldek, der seit 1982 am Linzer Bruckner-Konservatorium unterrichtet, daß die Qualität der alten Texte für den Charakter der Musik bestimmend gewesen sei und experimentelles Musiktheater von vornherein ausgeschlossen hätte. Er habe sich daher für eine Mischung aus relativ traditionellen Kompositionstechniken und zeitgemäßer Musiksprache entschieden.

Selbstverständlich sind Reihentechnik und Dissonanzen in-kludiert, wobei Waldek grundsätzlich versucht hat, weiche Harmoniespannungen einzusetzen, die wesentlich auf Ganztonleitern beruhen. Die Singstimmen, vor allem die des Liebespaares, hat der Komponist weitgehend traditionell behandelt und sich bemüht, sängergerechte und vorwiegend melodieorientierte Partien zu schreiben, wie sie den Visionen der „Spielszenen” entsprechen.

Waldek sieht darin eine „expandierte Lyrik”, die-er fern von dramatischen oder opernhaften Elementen vertont hat. Der Gedanke an lyrische Szenen war daher naheliegend. Dunklere Orchesterfarben betonen den meditativen

Charakter des Werkes, und wechseln mit zarten Stimmungen und durchsichtigen Klängen, die vom Prinzip Sehnsucht geprägt sind.

Die Figur des Rabbi ist als Sprechrolle mit ihren ethischen und lebenspraktischen Hinweisen deutlich von der liebesseligen Entrücktheit des jungen Paares abgegrenzt. Dort allerdings, wo es für den Rabbi um sein ureigenstes Anliegen geht, seine Beziehung zu Gott nämlich, wird er sich seiner eigentlichen Sprache bewußt und beginnt zu singen.

Für junge Menschen

Die beiden Chorhälften mit,Chorführer und Chorführerin repräsentieren die Mädchen und Burschen, die das verliebte Gehabe des Paares mit gutmütigem Spott kommentieren.

Waldek hat „Das Hohe Lied” für Sopran (Sie), Tenor (Er), Mezzosopran (Chorführerin), Bariton (Chorführer), Baß/Sprechstimme (Rabbi), Frauen- und Männerchor sowie für Tänzer und eine kammermusikalische Besetzung komponiert. Für die musikalische Leitung zeichnet Emst Dunshirn, für die Inszenierung Werner-Michael Esser und für die Ausstattung Kurt Pint. Die Hauptrollen sind mit Donna Ellen und Thomas Sig-wald, und mit William Mason als Rabbi, besetzt. Das Stück soll vor allem junge Menschen ansprechen und dauert etwa 90 Minuten.

In Ergänzung zu dieser Produktion des Linzer Landestheaters in der Ursulinenkirche wird auch ein Konzert stattfinden, in dem Texte aus dem Hohen Lied in Vertonungen von der Renaissance bis zur Gegenwart geboten werden.

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