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Der versunkene,Proletkult

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In der „Kleinen Galerie“, die gar nicht so klein ist, läuft zur Zeit eine Spezialausstellung über die Buchkunst von O. R. Schatz. Diese verdient insofeme ein besonderes Interesse, als sie eine spezifische Problematik aufzeigt, die nach dem Zweiten Weltkrieg neuerlich in Kreisen der „Neuen Linken“ akut wurde, wobei sich die Exponenten dieser politischen Strömung noch besonders originell vorkamen.

Schatz war Spitzenillustrator der Linken in Deutschland, Österreich und der Schweiz insofeme, als er die Prachtbände der Büchergilde Gutenberg schuf („Der entwurzelte Baum“ und „Die neue Stadt“). Letzteres Buch war eine utopische Projektion neuer Stadtgestaltung, wobei dem Dichter - Josef Luitpold (Stern) - eine Art von Super-Gemeinde-Wien der Zukunft vorschwebte.

Darüber hinaus illustrierte Schatz auch die Arbeiter-Jahrbücher, wie der alte Arbeiterkalender Unter Luitpolds Redaktion hieß, die Funktionärszeitschrift „Der Sozialdemokrat“ und vieles mehr.

Weniger Schatz als Josef Luitpold war damals ein Anhänger der Idee einer sozialistischen „Gegenkultur“, das heißt, das Proletariat sollte unter der Führung sozialdemokratischer und kommunistischer Intellektueller - was allerdings nicht gesagt wurde - sich von feudaler und bürgerlicher Kultur lösen und eine völlig eigenständige Kultur produzieren. Diese „Neue Stadt“ sollte die alte Stadt ersetzen. Und so weiter.

Dabei stellt sich heraus, daß die neuen Produkte gar nicht so wenig mit den alten gemeinsam haben, daß sie sich vom Bürgertum gar nicht so sehr absetzen.

Schatz’ - auch ausgeführter - Entwurf für das Titelblatt des Arbeiterjahrbuches 1930 etwa zeigt „zukunftsweisende“ Science-fiction- Technik- durchaus positiv gemeint- die ebenso auch das Jahrbuch eines US-Superkonzems wie General Motors hätte schmücken können. Wie die Kapitalisten der USA, erwartete man sich von der Technik die Expansion des Menschen und seine Befreiung vom Zwang der Natur.

Die mittelalterliche Kirche - für den „Proletkult“ der ideologische Feind - hatte in ihren Evangelarien wunderschöne Initialen. Die Arbei-

terbewegung sollte nun auch Initialen haben. Schatz schuf solche in hoher Qualität im Stil der Neuen Sachlichkeit. In einfachem Holzschnitt und nicht in Gold. Und statt der Heiligenfiguren hiezu Werkelmänner, Invalide und studierende Proletarier. Man kann hier sehen, wie sich Distanzierung mit Identifikation vermengt.

Nun sagte einmal der SPÖ-Abgeordnete Karl Blecha, eine sozialistische Kultur gäbe es nicht, und so wischte er das Problem einfach vom Tisch. Ist das wirklich so einfach? Immerhin hat kein Geringerer als Mao Tse-tung Millionen Jugendlicher auf die Straße geschickt, um eine Kulturrevolution zu veranstalten, die in ein paar Jahren mit 3000

Jahren chinesischer Geschichte fertig werden sollte. Die neuen Herren Chinas wischten das Problem wie Karl Blecha vom Tisch. Die chinesischen Damen unterwerfen sich Hollywood-Vorbildern, wie umgekehrt einer beim Gewerkschaftskongreß ohne Krawatte Aufsehen erregt.

Aber in den zwanziger- und dreißiger Jahren versuchte man hierzulande Ernst zu machen. Ohne Arroganz und Snobismus. Sicherlich, man wurde hier mit 2000 Jahren Vergangenheit ebensowenig fertig wie China mit 3000. Aber es gab bemerkenswerte und hochinteressante Experimente, die die Geschichte unserer Kultur sehr wohl bereichern. Diese Ausstellung gibt Zeugnis davon.

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