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Dialog Kirche/Staat ins Stocken geraten

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In Folge 43 brachte die FURCHE ein Interview mit Kardinal König über den neugewählten Papst. Diesmal bringen wir den zweiten Teil des am 23. Oktober von Hubert FeichtU bauer mit dem Wiener Erzbischof geführten Gesprächs.

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In Folge 43 brachte die FURCHE ein Interview mit Kardinal König über den neugewählten Papst. Diesmal bringen wir den zweiten Teil des am 23. Oktober von Hubert FeichtU bauer mit dem Wiener Erzbischof geführten Gesprächs.

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FURCHE: Wie sieht das Verhältnis zwischen Kirche und Staat in Österreich derzeit aus? Gibt es überhaupt ein Gespräch zwischen den Spitzenvertretern?

KARDINAL KÖNIG: Nach außen hin sieht es wie eine Art Stillstand des Gespräches aus. Aber ich halte die Schwierigkeiten nicht für unüberwindlich.

FURCHE: Worüber möchte die Kirche mit dem Staat reden?

KÖNIG: Familie, Erziehung, Schule sind immer solche Themen. Sehr wichtig wäre auch ein Außer-streitstellen von Werten. Ich sehe eine große Gefahr in der Möglichkeit, daß die Demokratie sich selbst zerstört. Ich bin entsetzt über die Gleichgültigkeit vieler gegenüber den Parteien und dem Staat. Auch eine falsche Individualisierung des Freiheitsbegriffes, wonach jeder ohne Rücksicht auf die anderen tun kann, was ihn freut, gefährdet die Demokratie. Achtung vor richtig verstandener Autorität und ein gesundes Ordnungsdenken (nicht in faschistischem Sinn) sind notwendig, auch in der Erziehung zur Demokratie. Die heutige permissive

FURCHE: Reden Sie auch mit Wirtschaftsvertretern? KÖNIG: Natürlich auch.

FURCHE: Halten Sie ein Nationalkomitee österreichischer Katholiken als Sprachrohr im öffentlichen Leben für wünschenswert?

KÖNIG: Die letzte Bischofskonferenz hat das eindeutig und klar abgelehnt. Aber da es von einigen Gruppen weiter betrieben wird, wird sich die nächste wieder kurz damit befassen können.

FURCHE: Besonders jugendliche Katholiken erwarten von der Kirche ein noch stärkeres Engagement für Frieden - ettua in Nordirland -und für Menschenrechte.

KÖNIG: Das ist richtig. Ich bin sicher, daß der neue Papst hier auf mehr Gehör stoßen wird. In der Vergangenheit sind Äußerungen von höchster kirchlicher Stelle oft untergegangen. Was Nordirland anlangt, so berichteten mir irische Bischöfe, sie hätten mit den britischen zusammen besprochen, was sie tun könnten, und keine Lösung gefunden. Alle stimmen überein: Es ist kein Religionskrieg, sondern ein

Gesellschaft scheint alles aufzulösen. Es muß alles geschehen, um zu verhindern, daß am Ende eine neue Diktatur steht.

FURCHE: Wie sehen derzeit die Kontakte zu den politischen Parteien aus?

KÖNIG: Die Katholische Aktion unterhält Kontakte zur ÖVP und versucht, solche zur SPÖ herzustellen. Das gilt auch von den Bundesländern. Aber die Verbindungen zur SPÖ funktionieren derzeit eher mühsam oder schlecht, weil vergangene Ereignisse nachwirken.

FURCHE: Gibt es auch zur FPÖ Kontakte?

KÖNIG: Klubmann Peter und der Wiener Gemeinderat Hirnschall waren vor einiger Zeit bei mir.

FURCHE: Und wie steht es mit Gewerkschaften und Wirtschaft?

KÖNIG: Zu beiden habe ich eine gute Verbindung; zur Gewerkschaft als überparteilicher Organisation habe ich nach wie vor guten Kontakt. Dort hat man noch ein Gespür für Werte, Demokratie, richtig verstandene Toleranz. Haß und Intoleranz sind heute eine große Gefahr für die Jugend.

wirtschaftlicher und sozialer Konflikt! Um den schrecklichen Haß zu beseitigen, könnte zum Beispiel ein noch stärkerer Druck von der öffentlichen Meinung - auch über die Massenmedien - ausgeübt werden. Wenn sich etwa verschiedene Fernsehstationen zusammentäten, um systematisch gegen dieses Grauen anzukämpfen, wäre das eine europäische Aufgabe.

FURCHE: Zurück zu Österreich -wie steht es mit dem ökumenischen Gespräch?

König: Ein Arbeitskreis unter Prälat Kostelecky, in dem alle christlichen Kirchen vertreten sind, befaßt sich regelmäßig mit Fragen des Eherechtes, auch mit karitativen Aktionen. „Pro Oriente“ lädt alle nichtkatholischen Kirchen Wiens zu den Veranstaltungen ein.

FURCHE: In jüngster Zeit ist die Frage der Geschiedenenpastoral etiuas in den Vordergrund gerückt. Es gibt über 220.000 Geschiedene in Österreich. Sollte sich die Seelsorge nicht mehr um sie kümmern?

KÖNIG: Das Problem ist in der Seelsorge tatsächlich sehr spürbar. Die Bischöfe Deutschlands und Österreichs sind gemeinsam mit der Bitte an Rom herangetreten, eine Lösung zu fihden, die dem einzelnen Seelsorger die Entscheidung erleichtern könnte. Das Problem ist brennend, aber wir können nicht eigenmächtig vorgehen.

FURCHE: Sie waren seit dem Konzil Leiter des Vatikanischen Sekretariats für die Nichtglaubenden. Was geschieht für die Nichtglaubenden in Österreich?

KÖNIG: Es gibt auch in unserem Land, d. h. in Wien, ein bescheidenes Sekretariat für die Nichtglaubenden. Regelmäßige Gesprächskreise behandeln das Thema mehr studienmäßig. Man muß unterscheiden zwischen einem militanten Atheismus; wie er etwa in kommunistischen Ländern praktiziert wird; dieser ist meiner Meinung nach im Grunde weniger gefährlich. Manche Intellektuelle folgen einem philosophischen Atheismus, und dann gibt es die große Masse derer, die einfach einem Indifferentismus, also völliger Gleichgültigkeit huldigen. Es gibt keine Zauberformel für die Lösung des Problems. Mehr Eindruck als alles Reden macht auch hier das Beispiel eines christlichen Lebens.

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