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Digital In Arbeit

,,Die Baustelle ist eine Maschine“

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FURCHE: Sie sind für den 500-Millionen-Schilling-Böro-bau der Allgemeinen Unfallversicherung verantwortlich. Ist jemand, der ein solches Projekt ausführt, überhaupt noch Architekt im klassischen Sinne, ist er nicht bereits Manager?

HLAWENICZKA: Er ist beides. Gerade im Zeitalter eines allenthalben um sich greifenden Spezialistentums muß der selbständige Architekt, wenn er Erfolg haben will, nicht nur über Fähigkeiten als Entwerfer verfügen, sondern außerdem Manager, Organisator, Techniker, ja sogar Wirtschaftler und Jurist in einer Person sein. Aber es wäre ein Irrtum, zu glauben, daß er deshalb aufhört, Architekt im urältesten Sinn dieses Wortes zu sein.

FURCHE: Was ist ein Architekt „im urältesten Sinn des Wortes“?

HLAWENICZKA: Die Grundsubstanz unseres Berufes hat sich eigentlich wenig geändert. Auch in einer Zeit, in der sich die technischen Möglichkeiten sprunghaft weiterentwickeln und auch in der Architektur ein einzelner nicht mehr in der Lage ist, die Fülle der Investitionen zu überblicken, ist das Bauwerk mehr als die Summe seiner Funktionen. Es ist vor allem heute sowenig wie einst das Produkt eines rationalen Prozesses. Zwar ist der rationale Prozeß, das Funktionale, bei Großbauten unserer Zeit natürlich komplizierter als je zuvor. Aber es ist die eigentliche Aufgabe des Architekten geblieben, eine Fülle von Funktionen und sonstigen Vorgaben aller Art, finanzielle, örtliche, zeitliche Gegebenheiten und so fort, in eine klare funktionale und ästhetische Idee zu übersetzen, und diese mit den technischen und wirtschaftlichen Durchführungsmöglichkeiten in Einklang zu bringen.

FURCHE: Dies als die eigentliche künstlerische Aufgabe?

HLAWENICZKA: Ja. Geblieben ist der gewisse Funke — der schöpferische Moment.

FURCHE: Wo bleibt hier aber das vielgepriesene Teamwork?

HLAWENICZKA: Bauen war immer das klassische Teamwork schlechthin. Aber der gewisse Funke, der schöpferische Moment — das ist heute wie einst etwas, was sich in einem einzelnen menschlichen Gehirn abspielt.

Aber heute setzt schon in einem frühen Stadium der Entwurfsarbeit das Teamwork ein. Mit dem, was man den „Einfall des Architekten“ nennt, was man als Resultat eines langen Denkprozesses vielleicht auf einer Zigarettenschachtel erstmals zu Papier bringt, beginnt ja die Entwurfsarbeit erst. Da zeigt sich dann, ob der ursprüngliche Einfall hält, wieviel davon zu brauchen ist, wieviel modifiziert werden muß — das alles ist Teamwork, und die Ausführung eines Bauwerkes erst recht.

FURCHE: Aber der Entwurf war früher einmal doch Sache eines einzelnen?

HLAWENICZKA: Die Ausführung eines Bauwerkes war immer schon Teamarbeit, heute ist es auch die Arbeit im Atelierbereich bis hinauf zum Entwurf.

FURCHE: Und wieviel bleibt dabei vom schöpferischen Moment übrig?

HLAWENICZKA: Um so mehr, je tragfähiger die früheste Konzeption war.

FURCHE: Welchen Stellenwert hat im Schaffen “eines heutigen Architekten die Bauausführung?

HLAWENICZKA: Künstlerische Leistung, Ingenieurleistung und organisatorische Leistung müssen in einem Einklang stehen, wenn das Ergebnis stimmen soll. Corbusier hat uns gelehrt, das Haus als Maschine zu betrachten, die nur durch das optimale Zusammenspiel vieler Teile so funktioniert, wie sie soll. Die Baustelle ist erst recht eine Maschine, die nur dann richtig funktionieren kann, wenn sie exakt geplant, ja, man könnte fast sagen „entworfen“ wurde. Dem Zwischenbereich der Detail- und Ausführungsplanung wird manchmal nicht genug Aufmerksamkeit zugewandt. Zu den ärgsten Kostenschluckern im gesamten Bauwesen gehören meiner Meinung Verzögerungen und Improvisationen auf der Baustelle. Durch eine straffe Bauvorbereitung und Bauführung lassen sich Beträge einsparen, die der Ausstattung des Projektes zugute kommen.

FURCHE: Hoben Sie dafür ein Beispiel zur Hand?

HLAWENICZKA: Zum Beispiel gemeinsame Swimmingpools in Wohnhausanlagen, die bei gegebenem Kostenrahmen mit kostensparender Bauausführung stehen und fallen. Bei meinem allerersten Projekt, es handelte sich um einen von der Gemeinde Wien errichteten, für Mitarbeiter der Internationalen Atomenergiebehörde bestimmte Wohnbau in der Hofzeile, konnte ich das von mir gewünschte Maß an Freiheit bei der Entwurfsarbeit nur dadurch erlangen, daß ich mich verpflichtete, die Mehrkosten durch Übernahme der Bauleitung einzusparen.

FURCHE: Nun ist aber ein modernes Architekturbüro ein riesiger Apparat...

HLAWENICZKA: Richtig. Teamwork heißt auch: Heute steht der Architekt nicht einem Menschen als Auftraggeber, sondern einem Apparat, einer Körperschaft, einem Management gegenüber, und „der Bauherr“ seinerseits nicht einem einzelnen Architekten, sondern einem Team, einem Büro, wenn Sie wollen: einem Apparat. Das braucht aber keinen Widerspruch mit kreativen Ansprüchen zu bedeuten, wenn es ein Architekt versteht, sich mit artverwandten Mitarbeitern zu umgeben und die Voraussetzungen zu schaffen, unter denen jeder von ihnen seine besonderen Begabungen entfalten kann. Dabei ist es nur in einem großen Team möglich, einerseits für jede Aufgabe den Begabtesten (oder die Begabteste) einzusetzen, und anderseits jedem Mitarbeiter die Spezialisierung auf jene Aufgaben zu ermöglichen, für die er sich am besten eignet.

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