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Die Würfel fallen

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Es wird wieder gepokert. Politiker ziehen ihre Asse aus dem Ärmel, lassen sich nicht in die Karten schauen, tricksen einander mehr oder weniger gekonnt aus. Kurzum: Die Würfel fallen!

Spätestens im Wahlkampf wird der Zusammenhang zwischen menschlichem Spieltrieb und Politik durchschaubar. Grund genug, um exklusiv über die Beratungen der SPÖ (Spieler und Play-Boys Österreichs) und den, ÖVP ( österreichische Verlierer und Puzzlespieler) zu berichten.

Bekanntlich sind das jene Organisationen, die alljährlich Politikern das passende Spiel verleihen.

Kommt heuer ein Koren noch mit einer Einfachausführung des „Börsenspiels“ aus, so muß ein Fi- nanzminister, der etwas auf sich hält, unbedingt das „Millionenspiel“ beherrschen. Der Glücksfaktor ist für die Verwaltung von Einnahmen und Ausgaben entscheidend: Würfel als Entscheidungserleichterung sollen uns klarmachen, auf welch verschlungenen Pfaden ein Salcher zum Selcher wird.

Wiener Kommunalpolitiker erhalten heuer erstmals Sonderpreise in der Kategorie „Winter und Rinter“. Nach Brückeneinstürzen zurückgetretene Stadträte, die es wieder zu etwas bringen wollen, erhalten „Karriere“. Da kann ein Hoff-Mann ziemlich leicht zur ersten Weltraumfrau werden. Bergauf statt bergab - in Österreich hat schließlich noch keiner ausgesetzt. Man spielt „Fang den Hut“ und nimmt ihn trotzdem nicht.

Buseks Lieblingsspiel sei, so die Jury, „Hase und Igel“. Eine Nachahmung der einstigen Fabel, denn hier kommt man nur durch Karottenkonsum voran. Nicht nur Schwarz-Grüne, auch Grün-Grüne finden Gefallen daran. Aber leider: Das Spiel eignet sich nur für die ÖVP-Mannschaft. Es ist das einzige, wo der Langsamere Gewinnchancen hat.

Wer sich vom neuesten Sicherheitsbericht ablenken möchte, der hat die Chance seines Lebens, dachten SPÖ und ÖVP. Und vergaben „Scotland Yard“ an L & L, Lichal und Lanc. Jagen Sie Mr. X in London. Sollten Sie ihn tatsächlich fangen („Komm, Mister, i bin’s, dei Präsident“), dann geben Sie ihm bitte beim Lokalaugenschein keine scharfe Patrone in die Hand. Die restlichen Regeln sind einfach: Vermutungen und Sieg auf Verdacht.

Selbst die FPÖ bekam heuer erstmals die Chance, zu würfeln. Sie erhielt „Option“. Eine Legespiel, mit dem Wortklauberei betrieben werden kann. Der Titel des Produkts kam vom Parteiobmann persönlich. Als Anerkennung ging ihm das Würfelspiel „Huckepack“ zu.

In Salzburg landete das sattsam bekannte „Fux und Henne.“ Ob Tollmann dabei goldene Eier legt, bleibt dahingestellt.

Das Spiel „Wer lügt?“, ein Bestseller bei der alljährlichen Preisvergabe, wird übrigens demnächst aus jugendgefährdenden Gründen aus der Milchbar des Parlaments entfernt.

Die Jury lobte den Bundeskanzler für seine Verdienste und verlieh ihm „Diplomatie“. Gerade er habe, so die offizielle Presseaus-

sendung, eine ganze Reihe von Spielen im Arbeitszimmer. Von Zigeunerkarten mit Zwentendorf- und Konferenzzentrum- Symbolen bis zu „Fang den Frosch“. Auch in der CA-Zentrale soll das Spiel aufliegen.

Das Spiel „Duell“, so der ORF dazu, wird erst im April im Rahmen einer großen Diskussion zwischen Kreisky und Mock vor laufenden Kameras vergeben. Kurzinhalt: Man würfelt um Wählerstimmen und versucht, den Gegner schachmatt zu setzen. Ein Spiel für Profis.

Die KPÖ bekam „Sympathie“. Dieses Spiel soll den Zuneigungsgrad des Spielpartners feststellen, wobei die roten Spielsteine gewinnen.

„Sagaland“, Spiel des Jahres 1982, gehört eindeutig den Grünen. Den vereinten Grünen. Unter jedem Plastikbaum (die nächste Auflage folgt mit Holzerzeugnissen und Recycling-Möglichkeit) befinden sich Gegenstände aus der Märchenwelt, die es zu finden gilt. Das Tischlein-deck-dich, die energiesparenden Siebenmeilenstiefel, die „Selber-machen“- Spindel von Dornröschen, die Tauben der einsparenden Postverwaltung.

Trivialerzeugnisse, soweit kann aus der diesjährigen Preisträger- Liste entnommen werden, wurden heuer nicht vergeben. Kein Schach, kein Go, kein Backgammon. Wer hat schließlich im Wahlkampf noch Zeit zum Denken?

„Heiße Dollars“, ein Bluff- Spiel und nunmehr in der 100.000- Schilling-Packung erhältlich, ging an nicht näher bezeichnete, in die Politik zurückgekehrte ÖVP-Boten mit gelben Kuverts.

„Memory“, ein Wahlversprechen-Spiel, und „Brain Trainer“, schlichte Anerkennungspreise, wurden ganz allgemein der Politik zuerkannt.

Am 24. April findet in den Räumen des Wiener Riesenrades die feierliche Preisübergabe statt. Vor allem wird dann die Frage nach dem Namen des Trostpreisträgers beantwortet sein, der sich mit „Mensch-ärgere-dich- nicht“ durch die nächste Legislaturperiode würfelt.

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