ORF und Medienpolitik: Empört euch - aber richtig!

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Spitzengehälter samt Nebenverdiensten sollen diskutiert werden. Wirklich aufregen muss aber anderes – etwa die ausstehende ORF-Gremienreform und nachlässige Medienpolitik. Ein Gastkommentar.

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Spitzengehälter samt Nebenverdiensten sollen diskutiert werden. Wirklich aufregen muss aber anderes – etwa die ausstehende ORF-Gremienreform und nachlässige Medienpolitik. Ein Gastkommentar.

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Ein Aufregerthema hat zuletzt die Öffentlichkeit dominiert. Es geht um Spitzengehälter und Nebeneinkünfte im ORF, die im Rahmen eines „Transparenzberichts“ – gemäß ORF-Gesetz – veröffentlicht wurden. Über die ORF-Gehälter muss selbstverständlich diskutiert werden. Allerdings nicht so, wie es geschah, sondern im Kontext und mit Blick auf soziale Ungleichheiten einerseits sowie Medienpolitik und Demokratie andererseits.

Fragwürdig ist vor allem die Kombination von Spitzengehältern und Nebeneinkünfte. Stars des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erfüllen eine öffentliche Rolle und sollten sich daher bescheiden können. Hier gibt es durchaus Signale seitens des ORF, zu korrigieren und neue Wege zu gehen. Die Fokussierung auf den ORF ist allerdings zu eng. Zwar sind solche Gehälter Indikatoren für wachsende soziale Ungleichheiten, die auch zum Erstarken rechtsradikaler Kräfte geführt haben. Aber Empörungspolemiken, vor allem von Seiten der FPÖ, führen in die Irre. Sie bieten keine Lösungen. Denn diese liegen in mehr Transparenz im Politik- und Wirtschaftssektor – und in einer die Demokratie stützenden Medienpolitik.

Transparenzlücken jenseits des ORF

Es braucht mehr Transparenz für alle Ausgaben, die aus Steuern und Gebühren – also von uns allen – finanziert werden. Während für die Einkünfte im National- und Bundesrat klare gesetzliche Regeln bestehen, gibt es Lücken auf kommunaler Ebene, etwa das Kuriosum von null Informationspflicht für „nicht amtsführenden Stadträte“ in Wien. Auch Gehälter in halbstaatlichen Unternehmen wie der OMV bleiben im Dunkeln. Mit der Gründung der COFAG GmbH zur Verteilung von Covid-Förderungen wurden enorme Steuergelder der öffentlichen Kontrolle entzogen. Auch die ÖVP legt Spendeneinnahmen gesetzeswidrig erst nach Jahren offen, aber der Rechnungshof verfügt selbst bei Verstößen gegen das Parteiengesetz nicht über ernsthafte Sanktionsmöglichkeiten.

Hier ist tatsächlich Empörung angebracht. Keine einfache Sache im Kontext einer landesüblichen Kultur des laschen Wegschauens und der Verharmlosung von Korruption, die gern als „Freunderlwirtschaft“ oder „Vitamin B“ verniedlicht wird.

Zugleich lenkt die Debatte über ORF-Spitzengehälter aber auch von den dringendsten medienpolitischen Aufgaben ab. Es steht viel auf dem Spiel für den unabhängigen Journalismus. Zwar wird mit dem Informationsfreiheitsgesetz immerhin der Zugang zu Informationen erleichtert – was sich noch bewähren muss und voraussichtlich der Verbesserung bedarf. Der mit Ende Juni auslaufende journalistische Quellenschutz („Medienprivileg“) steht aber noch immer an der Kippe – trotz Verzichts der ÖVP auf Junktimierung mit dem von ihr gewünschten „Zitierverbot“ aus Akten in nicht öffentlichen Ermittlungsverfahren.

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