Ein Jahr Ära Weißmann: Es gibt keinen richtigen ORF im falschen

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Um mit Erfreulichem zu beginnen: Matthias Schrom wurde nach Veröffentlichung seiner Chats mit Heinz-Christian Strache als TV-Chefredakteur tatsächlich zeitnah in den Urlaub geschickt … (Und recht ähnlich verhält es sich mit dem Direktor des Landesstudios Niederösterreich.) Es ist ganz bestimmt so, dass der „News Junkie“ (Selbstbeschreibung von ORF-Generaldirektor Roland Weißmann) einschätzen kann, wann die Reputation eines/r Journalisten/in für eine leitende Management-Aufgabe im öffentlich-rechtlichen Rundfunk verloren ist. Eine ähnliche Sensibilität hätte man sich in den letzten Wochen gewünscht, um zu verhindern, dass im Hauptabend von ORF 1 die „Fußball WM der Schande“ und auf ORF 2 der Schiweltcup das lineare Angebot des TVs prägen. Die Debatte darüber, warum viele Millionen Euro an Gebührengeldern für diese Sinnbilder der kommerzialisierten und von Korruption bestimmten Welt verwendet werden, trifft sich auch noch mit der Ankündigung der Hörfunkdirektorin, dass man bei Ö1 und FM4 in Zukunft wesentlich einzusparen habe. Immer wieder heißt es in diesem Zusammenhang, dass ein lineares Angebot dem Mehrheitsgeschmack folgen müsse, um relevant zu bleiben. Und in der digitalen Welt – in der man auf Bedürfnisse von Minderheiten viel besser eingehen könnte – könne sich der ORF wegen der gesetzlichen Einschränkungen ja nicht bewegen … Nun darf der ORF – nach langem Ringen mit den Behörden – zwei neue Online-Angebote anbieten: ORF Sound besticht dabei durch Übersichtlichkeit und gibt wohl tatsächlich die Richtung vor, wie ein ORF-Player als Alternative zur „blauen Seite“ einmal aussehen könnte. ORF Topos hingegen schafft es wohl kaum neues (jüngeres) Publikum zu erreichen: Man fragt sich, warum der ORF hier etwas „Eigenes“ aufzubauen versucht, statt sich bei den großartigen Angeboten arte.tv und funk.net einzubringen und proaktiv die Kooperation mit den langjährigen Partnerinnen ARD, ZDF, arte oder KiKa zu suchen und von deren inhaltlicher Expertise zu profitieren.

Alte Strukturen beibehalten

Man könnte sich als ORF überhaupt öfters an Deutschland orientieren – nicht zuletzt bei der Barrierefreiheit und der Art, wie man mit behinderten Menschen umgeht. Die aktuelle Debatte um „Licht ins Dunkel“ wäre zu verhindern gewesen, wenn man so wie die „Aktion Mensch“ beim ZDF vor Jahren damit begonnen hätte, eine inklusive Berichterstattung zu etablieren. Roland Weißmann „erntet“ hier Strukturen und Personal, die ihm sein Vorgänger Alexander Wrabetz hinterlassen hat. Aber warum wurde in diesem ersten Jahr eigentlich die unklare „Entscheidungsstruktur“ zwischen Programmdirektion und Channel Manager nicht geordnet? Die Programmdirektorin bestellt bei Produzentinnen Programme, die dann der Channel Manager ablehnt?! Oder auch das Nebeneinander der Chefredakteure im neuen Newsroom: Was wäre so falsch an einer eigenen Info-Direktion? Schließlich könnte ein(e) – von parteipolitischen „Freundeskreisen“ tatsächlich unabhängige(r) – ORF Generalsekretär(in) Wege zur Politik und den längst fälligen ORF-Gesetzen bis hin zu einer Gremienreform ebnen helfen. Solange Roland Weißmann aber mit den von Alexander Wrabetz geschaffenen Strukturen weiter arbeitet, wird der ORF auch in den kommenden Jahren nicht aus der Krise finden.

Der Autor ist Obmann des „Vereins zur Förderung eines selbstbestimmten Umgangs mit Medien – VsUM“.

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