Die Selbstaufgabe des ORF

Werbung
Werbung
Werbung

Im Rückblick wird man sich vielleicht an Alexander Wrabetz als den Generaldirektor erinnern, der sich selbst unter widrigen Umständen auf erstaunliche Weise gerettet, den ORF aber unter widrigen Umständen auf peinliche Weise verloren hat. Seine Amtszeit stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Die Bildung der ominösen Regenbogen-Koalition war der Sündenfall, in dem schon der Keim zu künftigem Unheil steckte. Es war ein Lehrstück darin, wie es zugeht, wenn Moral zur dürftigen Camouflage von Machtinteressen herhalten muss: Dem hehren Ziel der Befreiung vom repressiven Lindner/Mück-Regime und der Rettung der journalistischen Unabhängigkeit wurden ja bekanntlich völlig selbstlos parteipolitische Befindlichkeiten und Berührungsängste zwischen Rot, Grün, Blau und Orange untergeordnet … (Wenn man will, mag man es als Zeichen an der Wand deuten, dass einer der maßgeblichen Architekten dieser Allianz, der frühere Vranitzky-Sprecher Karl Krammer und Anführer des SP-Freundeskreises, im künftigen Stiftungsrat nicht mehr vertreten sein wird.)

Kritik unter Generalverdacht

Seit Wrabetz’ Amtsantritt agiert der ORF namentlich in Person seines Kommunikationschefs Pius Strobl in einer Art und Weise, die dem Feindbild des „Schwarz-Blau-Funks“ alle Ehre gemacht hätte: Die Aussendungswalze fährt über alles drüber, was nicht ins Selbstbild passt; jedwede Kritik wird unter den Generalverdacht gestellt, hier besorge jemand nur das Geschäft des Zeitungsverbandes (VÖZ) oder irgendeines Players am heimischen Medienmarkt; es gehe nur darum, den ORF „sturmreif zu schießen“ und solcherart den Boden für eine (Teil-)Privatisierung aufzubereiten und dergleichen mehr.

Aber die eigentliche Gefahr für den ORF sind nicht die Angriffe von außen. Vielmehr ist es die schleichende Aushöhlung von innen durch Trivialisierung und Parteilichkeit. Von ersterem (Stichworte Heinzl, US-Serien, generell der Privat-TV-Charakter von ORF1 etc.) soll hier nicht die Rede sein. Schwerer noch wiegt die laufende Delegitimierung im Bereich der Information – Kernkompetenz des Öffentlich-Rechtlichen und Messlatte für ebendiesen Anspruch.

Wer etwa die Berichterstattung zur kirchlichen Misere auf nationaler wie globaler Ebene auch nur oberflächlich verfolgt, wird nicht umhin können, eine schwere Schlagseite festzustellen. Damit soll natürlich nicht der unsinnigen Ansicht Vorschub geleistet werden, die Kirche sei „Opfer einer Medienkampagne“ oder ähnliches. Aber die Intention der Kirche am Zeug zu flicken, ist unüberhör- und sehbar. Da berichtet etwa Rom-Korrespondent Josef Dollinger darüber, dass der Papst am Gründonnerstag nichts zum Thema Missbrauch gesagt, dafür aber – na, was denn – über die Abtreibung gesprochen habe. Kein Wort aber davon, dass Benedikt in der selben Predigt auch Fortschritte in der Ökumene eingefordert hat.

Interviews als Verhöre

Die ORF-Interviews mit Waltraud Klasnic in ihrer neuen Rolle als Opferbeauftragte der Kirche glichen Verhören, insbesondere jenes, das Hubert Arnim-Ellissen im Ö1-Morgenjournal führte. Wie überhaupt Arnim-Ellissen, aber auch andere Journal-Moderatorinnen, zunehmend aus ihrer ihnen zugedachten Rolle fallen und in die mehr oder weniger launiger Kommentatoren schlüpfen, denen kein Unterton zu tief, kein Seitenhieb zu flapsig ist.

Freilich geht es nicht nur um die Kirche (oder um die Heinz-Fischer-Festspiele, die der ORF veranstaltet). Dieser Tage durfte etwa Herman Van Rompuy in Ö1 erklären, warum er für die Bankensteuer ist; von den Bedenken der EU-Kommission gegen eine Finanztransaktionssteuer hingegen kein Wort.

Am Schauplatz ORF: Man inszeniert und schafft sich die Wirklichkeit gemäß dem herrschenden politischen Willen und der eigenen ideologischen Vorstellung.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung