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Zur Konzilsverwirklidiung

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Die geschichtliche und geistige Stunde, die die Kirche durchlebt, ist — vor allem in einigen Ländern — nicht heiter und ausgeglichen. Das ist für die Hirten der Kirche und für uns Grund zu lebhafter Sorge und bisweilen zu großer Bitternis. Und das nicht nur, weil die ganze moderne Welt sich vom Sinn für Gott loslöst, vollkommen eingenommen wie sie ist von der Fülle ihrer Eroberungen auf wissenschaftlichem und technischem Gebiet. Es ist nicht so, als erforderten diese Errungenschaften den „Tod Gottes”, wie unglücklicherweise formuliert wurde, also eine atheistische und fern jeglicher Religion stehende Mentalität. Die die moderne Wellt kennzeichnenden Fortschritte erforderten vielmehr einen viel höheren, viel durchdringenderen, viel anbetenderen Sinn für Gott, eine viel reiriere und lebendigere Religion, auf dem Gipfel menschlichen Wissens.

Nach dem Konzil hat die Kirche ein großes und wunderbares Wieder- erwachen erlebt und erlebt es noch immer. Doch die Kirche hat auch unter einem Sturm von Ideen und Fakten gelitten und leidet noch darunter, die sicher nicht dem guten Geist entsprechen und nicht jene vitale Erneuerung versprechen, die das Konzil versprochen und angeregt hat. Eine Idee mit doppeltem Effekt hat sich auch in gewissen katholischen Kreisen Bahn gebrochen: Die Idee des Umänderns, die für einige anstelle jener von Papst Johannes ausgegangenen Idee des Aggiorna- mento getreten ist, indem Sie jenem treuesten Hirten der Kirche Kriterien zuteilen, die nicht mehr erneuernd sind, sondern bisweilen sogar das Lehramt und die Disziplin der Kirche selbst aushöhlen.

Im katholischen Leben könnten viele Dinge korrigiert und modifiziert werden, viele Lehren könnten vertieft, integriert und in besser verständlichen Begriffen dargelegt, viele Normen vereinfacht und den Bedürfnissen unserer Zeit besser angepaßt werden. Aber zwei Dinge vor allem können nicht zur Diskussion gestellt werden: die von der Tradition und vom Lehramt der Kirche maßgeblich sanktionierten Glaubenswahrheiten und die Grundgesetze der Kirche mit dem daraus folgenden Gehorsam gegenüber dem Dienst der geistlichen Führung. Deshalb: Erneuerung: ja; willkürliche Abänderung: nein; eine immer lebendige und neue Geschichte der Kirche: ja; eine die traditionelle dogmatische Verpflichtung zersetzenden Historizismus: nein; theologische Integration gemäß den Lehren des Konzils: ja; eine freien subjektiven Theorien konforme und oft gegnerischen Quellen angepaßte Theologie: nein; eine der ökumenischen Liebe, dem verantwortungsvollen Dialog und der Anerkennung der christlichen Werte bei den getrennten Brüdern geöffnete Kirche: ja; einen auf die Glaubenswahrheit ver- zichiteindien Ironismus: mein; nein auch zum Geneigtsein, gewisse negative Prinzipien anzunehmen, die die Loslösung so vieler christlicher Brüder vom Kult der Einheit der katholischen Gemeinschaft gefördert haben. Religionsfreiheit für alle im Bereich der bürgerlichen Gesellschaft: ja; wie auch die persönliche Freiheit, einer Religion nach der vom eigenen Gewissen überlegten Wahl anzuhängen; Gewissensfreiheit als Kriterium für religiöse Wahrheiten ohne die Stütze der Echtheit eines ernsten und autorisierten Lehramtes: nein.

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