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Drogen und Sucht als Schlager auf dem Büchermarkt

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Auf dem Buchmarkt zieht das Suchtproblem viele Leute ans Regal. Einige frisch erschienene Bände leisten auch „ihren" Beitrag zum Thema: Dabei gibt es Zugänge verschiedener Art: Wissenschaftlich, literarisch und manchmal sogar leicht verständlich.

Uber 300 Seiten an Information über die Begleiterscheinungen von Suchtgift liefert der deutsche Journalist Hans-Georg Behr: Er befaßt sich weniger mit den persönlichen Auswirkungen, die das Gift verursacht, sondern geht mehr in die gut recherchierte gesellschaftliche Tiefe, die in einem Abgrund von Armut, Kriminalität und Zeitgeschichte endet: Vom Mohnschnuller für unartige, fernöstliche Kinder bis zu den Kanälen der Schmuggler und skrupellosen Geschäftemacher, die mit dem Tod der Unschuldigen Macht und Geld erlangen. Behr praktizierte im Rahmen seiner langen Nachforschungen eine Variante des sogenannten Wallraff-Jour-nalismus: Er begleitete Opiumkarawanen, half Gold, Waffen und Devisen zu schmuggeln.

„Ob ich mich bei meinen Recherchen strafbar gemacht ha-

be?" fragt er sich selbst in seinem persönlichen Nachwort, um sofort zu antworten. „Ja, ich hätte sonst nicht vieles erfahren". Vielleicht rechtfertigt diesmal der Zweck die eher „unkonventionellen" Mittel Behrs.

Die beachtliche Hintergrundinformation, leicht verständlich aber trotzdem seriös verfaßt, bietet sicher mehr als die üblichen Statistiken.

Letztere füllen einen Werkbericht, der im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung der deutschen CDU herausgegeben wurde. Die unbestreitbare Wissenschaftlichkeit des Werkes, die sich allein

schon durch die beitragenden Fachleute aus Soziologie, Politik, Kriminalistik und Sozialarbeit ergibt, geht auf Kosten einer praktischen Hilfestellung. Zuvie-le soziologische Fragestellungen ermöglichen dem interessierten Laien oder gar betroffenen Eltern und Freunden eines Süchtigen wohl kaum eine ernsthafte Auseinandersetzung, die Erfolge bringen kann. Die Zusammenstellung der Zahlen beschränkt sich verständlicherweise auf die Bundesrepublik.

Die OVP präsentierte hierzulande eine eigene Drogenfibel, nachdem schon im Vorjahr private Institute, das Innenministerium und die Bundespolizeidirektion eine ähnliche Broschüre der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt hatten. Das schmale Büchl beleuchtet ebenfalls eher soziologische Aspekte. Verdienstvoll an der sicherlich mühevollen Arbeit ist eine ausführliche Liste von Kontaktadressen, die unmittelbare Hilfe vermitteln können —

wenngleich auch in ganz Osterreich nur rund 50 wirkungsvolle Langzeittherapiebetten für geschätzte 15.000 Süchtige zur Verfügung stehen. Das wird wohl für Probleme sorgen.

Auf engagierte, aber manchmal einseitige Weise vermittelt das Drogenbuch der deutschen Autoren Bongartz und Goeb Information zum selben Thema: Das flüssig-schnoddrig hingetippte Taschenbuch wendet sich offenbar an die Betroffenen selbst. Die Sprache ist verständlich und einfach, wenn auch sehr auf den bundesdeutschen Raum abgestimmt Ein kleines Lexikon und wieder eine Adressenliste (diesmal für die BRD) ergänzen den Band.

Schade nur, daß vielleicht manche Teile des Bandes sowie das farbenprächtige und mit Schmetterlingen gezierte Umschlagfoto alles andere als eine abschreckende Wirkung haben dürften. Und der Text ist auch aus einer ideologischen Betrachtungsweise entstanden, die den Pharma-Kon-

zernen und dem Kapitalismus überhaupt die Schuld an unserer Drogenzeit gibt. Vom Opiumrauchen vergangener Jahrhunderte ist keine Rede.

Keinen wissenschaftlichen Anspruch haben zwei Suhrkamp-Taschenbücher. „Mit diesem Buch wollen wir nicht Therapie und auch nicht Große Literatur, sondern uns verständlich machen — und fragen, ob es Euch ähnlich geht wie uns", heißt es auf dem Umschlag der „Verständigungstexte über Drogen und Abhängigkeit".

Was in den anderen Büchern vermißt wurde, tritt hier zutage: Die Gefühlsarmut und innere Einsamkeit jener, die in die anfangs bunte Drogenwelt flüchten. Das kürzeste Gedicht: „Menschen, erstarrt, verkleidet, maskiert. Menschen - mich friert."

Die 16 Autoren sind Drogenberater, Therapeuten und ehemals Süchtige. Der Einblick ins Innere dieser Menschen kann vielleicht

verdeutlichen, wie kalt es eigentlich „draußen" zugeht...

Tove Detlevsen hingegen erzählt den Kampf einer Frau gegen die Droge: Nur der Gedanke, daß durch die Sucht ihre Existenz als Schriftstellerin bedroht ist, kann sie dazu bringen, den langwierigen Versuch zu unternehmen, sich von den Drogen loszukämpfen.

Die Haschisch-Esser, das Volk der Assassinen (dieses Wort wird auch heute noch im italienischen und französischen Sprachgebrauch für „Mörder" verwendet) wird von Bruno Meck beleuchtet. Im 12. Jahrhundert entwickelte sich diese islamische Sekte, für deren Glaubensgrundsätze Mord ein heiliges Mittel war. Die Assassinen taten das, was in der Menschheitsgeschichte immer wieder geschah: Ein Suchtgift einnehmen, um tapferer zu sein, Gewissensbisse zu unterdrücken, mörderische Enthemmung zu begünstigen.

So soll es schließlich bei den 300 von Sparta gewesen sein, so war es bei den Türkenbelagerungen, wo Opium gar reichlich umherstaubte, so war es ebenfalls im Ersten Weltkrieg, der aus Verwundeten Morphiumsüchtige machte, und so endete es vorläufig mit dem Vietnam-Krieg, dessen Schrecken den US-Ledernacken nur mit Hilfe des Heroins erträglich gemacht werden konnte. Die Theorie, daß ein alkoholisierter US-Präsident den Dritten Weltkrieg auslösen wird, ist noch nicht zwischen Buchdeckeln gedruckt worden.

WELTMACHT DROGE. Von Hans-Georg Behr. Econ-Verlag. Düsseldorf. 320 Seiten. öS 212.80:

DROGEN - EINE TODLICHE GEFAHR. Politische Akademie Eichholz, Werkbericht S. 186 Seiten: DROGEN. SCHEIN UND WIRKLICHKEIT. INFORMIEREN. VORBEUGEN. HELFEN. Hrsg. Bundesparteileitung der ÖVP. 64 Seiten:

DAS DROGENBUCH. Von Dieter Bongartz und Alexander Goeb. Rowohlt Taschenbuch, 256 Seiten. öS 52.-;

KOMM SCHWARZER PANTHER. LACH NOCH MAL. Verständigungstexte über Dro-

Sen und Abhängigkeit. Suhrkamp-Taschen-uch, 250 Seiten, öS 76,-; SUCHT. Von Tove Detlevsen. Edition Suhr-kamp, 180 Seiten, öS 60,80; DIE ASSASSINEN. Von Bruno Meck. Econ-Verlag. Düsseldorf, 360 Seiten, öS 295,-.

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