Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Durch kaltes Wasser zu neuen Ufern
Jammern und das Suchen nach Sündenböcken ist die derzeit allgemein praktizierte Form der „Krisenbewältigung". Der Autorplädiert dafür, daß sich die Wirtschaft auf ihre Möglichkeiten besinnt und ihre - auch gegenwärtig vorhandenen - Chancen besser nützt.
Jammern und das Suchen nach Sündenböcken ist die derzeit allgemein praktizierte Form der „Krisenbewältigung". Der Autorplädiert dafür, daß sich die Wirtschaft auf ihre Möglichkeiten besinnt und ihre - auch gegenwärtig vorhandenen - Chancen besser nützt.
Was wird einer tun, der von einem sicheren Schiff in eiskaltes Wasser gefallen ist und zusehen muß, wie eben dieses Schiff davonfährt, uneinholbar und unwiederbringlich? Er wird seine ganze Kraft darauf verwenden, seine mißliche Lage zu ändern. Oder nicht?!
Würde er sich so verhalten, wie sich jetzt die meisten in der gegebenen Wirtschaftssituation benehmen, bliebe ihm allerdings für die Planung seiner Rettung wenig Zeit. Er müßte hingegen ständig rekapitulieren, wie es dazu gekommen ist, daß er überhaupt vom Schiff gefallen ist, würde ständig mit der Hoffnung spekulieren, daß das Schiff doch zurückkäme, würde mit aller Akribie Schuldige für seine jetzige Lage suchen - und würde schließlich, mit Blickrichtung Schiff selbstverständlich, ertrinken.
Die Nostalgiker haben Hochkonjunktur und schauen mit tränenver
schleiertem Blick auf das „sichere WirtschaftsschifP*, das nur noch am Horizont unserer Erinnerung zu erblicken ist.
Doch möchte ich nicht ungerecht sein. Wir haben nicht nur Nostalgiker-Konjunkturaufschwung, wir erleben auch einen ausgesprochenen Boom im Wunderheilen. Panazäen werden angeboten. Wundersalben, die alle Probleme lösen.
Es wird sich auch einmal bei uns herumsprechen, daß in einer Zeit sich ständig ändernder Problemstellungen Allheilmittel zu nichts führen können. Deshalb hoffe ich, daß die Schlagwortproduktion mangels Nachfrage eingestellt werden muß.
Die derzeitige Nachfrage hat aber wesentliche Ursachen:
• Verunsicherte Menschen suchen in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht immer nach Radikalkuren,
• dem Götzen Mediengerechtigkeit muß am Altäre der Simplifizie- rung geopfert werden und
• das Betrachten „des Kaisers neuer Kleider“ schafft eine Atempause, die böswillig ausgedrückt, hilft, Wahlen zu überbrücken oder optimistisch ausgedrückt, für sinnvollere Aktivitäten genützt werden kann.
Nur weil das Wirtschaften heute schwieriger geworden ist, dürfen wir nicht in Selbstmitleid zerfließen, sondern müssen mit Optimismus und Tatkraft an die Arbeit gehen. Jetzt und hier sind wir gefordert. Dazu ist aber notwendig, daß alle, die willens und imstande sind, sich diesen Aufgaben zu stellen, Zusammenarbeiten.
Wir brauchen in Österreich eine Koalition der Gescheiten, Arbeitswilligen und Anständigen gegen die Dummen, Selbstzufriedenen und Unanständigen. Wobei zugegeben sein mag, daß ein hoher Korrelationsgrad zwischen Intelligenz, Arbeitseinsatz und Anständigkeit keineswegs selbstverständlich ist.
Für diese Zusammenarbeit sind aber „vertrauensbildende Maßnahmen“ notwendig und das Abbauen veralterter Lagermentalitäten, die oft künstliche Gegensätze hochspielen, die nur dem Selbstdarstellungswunsch mancher Politiker entgegenkommen. Die von mir eben gezogene Grenze verläuft nicht entlang der Parteiengrenzen, sondern quer durch unsere Parteienlandschaft.
Zur künstlichen Anheizung der Probleme gehört sicher auch eine pauschale Managerbeschimpfung, die vor allem dann nicht viel Beachtung ver
dient, wenn sie von Personen kommt, die nie vergleichbare Situationen durchstehen mußten und immer nur von höherer, meistens Kammerwarte, welcher Provenienz auch immer, über Führungskräfte urteilten, ohne je selbst eine Führungsfunktion in einem Unternehmen innegehabt zu haben.
Dabei würden gerade die Kammern ein enormes Potential an brauchbarem Führungsnachwuchs haben, und es wäre sicher wünschenswert, wenn einige den geschützten Sektor der Kammertätigkeit mit der Ochsentour in einem Unternehmen vertauschen würden und erst dann in einflußreiche Positionen aufstiegen.
Wer in einem Verband, der sich mit Wirtschaftsproblemen beschäftigt, etwas werden will, sollte eine mehrjährige Rotationsverpflichtung in die Praxis haben. Wobei zuzugeben ist, daß es sicherlich lustiger ist, fremden Pferden die Sporen zu geben.
Jeder, der bereit ist, durch „kaltes Wasser zu neuen Ufern zu schwimmen“, sollte willkommen sein. Es ist doch eine Erfahrungstatsache, daß in allen schwierigen Zeiten die Menschen näher zusammengerückt sind. Warum sollte dies diesmal anders sein?
Dr. Peter Goldscheider ist Vorstandsdirektor der Zürich-Kosmos-Versicherung, der Beitrag ein Auszug aus WdF (Juni 81).
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!