6918492-1981_35_15.jpg
Digital In Arbeit

Durch kaltes Wasser zu neuen Ufern

19451960198020002020

Jammern und das Suchen nach Sündenböcken ist die derzeit allgemein praktizierte Form der „Krisenbewältigung". Der Autorplädiert dafür, daß sich die Wirtschaft auf ihre Möglichkeiten besinnt und ihre - auch gegenwärtig vorhandenen - Chancen besser nützt.

19451960198020002020

Jammern und das Suchen nach Sündenböcken ist die derzeit allgemein praktizierte Form der „Krisenbewältigung". Der Autorplädiert dafür, daß sich die Wirtschaft auf ihre Möglichkeiten besinnt und ihre - auch gegenwärtig vorhandenen - Chancen besser nützt.

Werbung
Werbung
Werbung

Was wird einer tun, der von einem sicheren Schiff in eiskaltes Wasser ge­fallen ist und zusehen muß, wie eben dieses Schiff davonfährt, uneinholbar und unwiederbringlich? Er wird seine ganze Kraft darauf verwenden, seine mißliche Lage zu ändern. Oder nicht?!

Würde er sich so verhalten, wie sich jetzt die meisten in der gegebenen Wirtschaftssituation benehmen, blie­be ihm allerdings für die Planung sei­ner Rettung wenig Zeit. Er müßte hin­gegen ständig rekapitulieren, wie es dazu gekommen ist, daß er überhaupt vom Schiff gefallen ist, würde ständig mit der Hoffnung spekulieren, daß das Schiff doch zurückkäme, würde mit aller Akribie Schuldige für seine jetzige Lage suchen - und würde schließlich, mit Blickrichtung Schiff selbstverständlich, ertrinken.

Die Nostalgiker haben Hochkon­junktur und schauen mit tränenver­

schleiertem Blick auf das „sichere WirtschaftsschifP*, das nur noch am Horizont unserer Erinnerung zu er­blicken ist.

Doch möchte ich nicht ungerecht sein. Wir haben nicht nur Nostalgi­ker-Konjunkturaufschwung, wir erle­ben auch einen ausgesprochenen Boom im Wunderheilen. Panazäen werden angeboten. Wundersalben, die alle Probleme lösen.

Es wird sich auch einmal bei uns herumsprechen, daß in einer Zeit sich ständig ändernder Problemstellungen Allheilmittel zu nichts führen können. Deshalb hoffe ich, daß die Schlag­wortproduktion mangels Nachfrage eingestellt werden muß.

Die derzeitige Nachfrage hat aber wesentliche Ursachen:

• Verunsicherte Menschen suchen in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht immer nach Radikalkuren,

• dem Götzen Mediengerechtig­keit muß am Altäre der Simplifizie- rung geopfert werden und

• das Betrachten „des Kaisers neuer Kleider“ schafft eine Atempau­se, die böswillig ausgedrückt, hilft, Wahlen zu überbrücken oder optimi­stisch ausgedrückt, für sinnvollere Aktivitäten genützt werden kann.

Nur weil das Wirtschaften heute schwieriger geworden ist, dürfen wir nicht in Selbstmitleid zerfließen, son­dern müssen mit Optimismus und Tatkraft an die Arbeit gehen. Jetzt und hier sind wir gefordert. Dazu ist aber notwendig, daß alle, die willens und imstande sind, sich diesen Aufga­ben zu stellen, Zusammenarbeiten.

Wir brauchen in Österreich eine Koalition der Gescheiten, Arbeitswil­ligen und Anständigen gegen die Dummen, Selbstzufriedenen und Un­anständigen. Wobei zugegeben sein mag, daß ein hoher Korrelationsgrad zwischen Intelligenz, Arbeitseinsatz und Anständigkeit keineswegs selbst­verständlich ist.

Für diese Zusammenarbeit sind aber „vertrauensbildende Maßnah­men“ notwendig und das Abbauen veralterter Lagermentalitäten, die oft künstliche Gegensätze hochspielen, die nur dem Selbstdarstellungswunsch mancher Politiker entgegenkommen. Die von mir eben gezogene Grenze verläuft nicht entlang der Parteien­grenzen, sondern quer durch unsere Parteienlandschaft.

Zur künstlichen Anheizung der Probleme gehört sicher auch eine pau­schale Managerbeschimpfung, die vor allem dann nicht viel Beachtung ver­

dient, wenn sie von Personen kommt, die nie vergleichbare Situationen durchstehen mußten und immer nur von höherer, meistens Kammerwarte, welcher Provenienz auch immer, über Führungskräfte urteilten, ohne je selbst eine Führungsfunktion in ei­nem Unternehmen innegehabt zu ha­ben.

Dabei würden gerade die Kammern ein enormes Potential an brauchba­rem Führungsnachwuchs haben, und es wäre sicher wünschenswert, wenn einige den geschützten Sektor der Kammertätigkeit mit der Ochsentour in einem Unternehmen vertauschen würden und erst dann in einflußreiche Positionen aufstiegen.

Wer in einem Verband, der sich mit Wirtschaftsproblemen beschäftigt, et­was werden will, sollte eine mehrjähri­ge Rotationsverpflichtung in die Pra­xis haben. Wobei zuzugeben ist, daß es sicherlich lustiger ist, fremden Pfer­den die Sporen zu geben.

Jeder, der bereit ist, durch „kaltes Wasser zu neuen Ufern zu schwim­men“, sollte willkommen sein. Es ist doch eine Erfahrungstatsache, daß in allen schwierigen Zeiten die Men­schen näher zusammengerückt sind. Warum sollte dies diesmal anders sein?

Dr. Peter Goldscheider ist Vorstandsdirek­tor der Zürich-Kosmos-Versicherung, der Beitrag ein Auszug aus WdF (Juni 81).

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung