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Durchwegs europäisch

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Life aid"-Veranstalter und Topsänger Bob Geldof, ein Ire, nennt ihn „den moralisch ehrlichsten Staatsmann - eine Persönlichkeit von größter Integrität". Politiker nördlich und südlich der grünen Grenze wissen bei allen Meinungsverschiedenheiten seine persönlichen Qualitäten, sein Verständnis der menschlichen Natur zu schätzen. Die nachbarlichen Briten halten ihn für ei-

nen harten, ihrer eisernen Lady an „toughness" (Härte) um nichts nachstehenden Verhandlungspartner.

Die Rede ist von Garrett FitzGerald, dem „taoiseach" (lies: tischuk), Irlands Ministerpräsidenten. Seiner dreijährigen unermüdlichen diplomatischen Aktivität ist es zu danken, daß das an-glo-irische Abkommen von Hills-borough Mitte letzten Novembers überhaupt zustandegekommen ist. Und dieser internationale Vertrag könnte sein Lebenswerk sein.

FitzGerald war unzweifelhaft die treibende Kraft hinter dem tiefsten Wandel in den Beziehungen der beiden Inselländer seit Gründung der irischen Republik im Jahre 1921. Die Protestanten im Norden haben dem Vertrag, in ihrem Sprachgebrauch „Ausver-

kauf der Provinz an die irische Republik", postwendend den Kampf angesagt.

Sie wollen Ulster mit allen verfügbaren Mitteln „unregierbar" machen. Rücktritt aller 15 Abgeordneten der beiden Unionsparteien und damit Nachwahlen ist die erste Stufe der Destruktion. Des weiteren sollen Demonstrationen und Auszug aus allen politischen Gremien Westminster zur Aufgabe des verhaßten Vertrages zwingen - wenn es sein muß, durch Barrikadenkampf und Massenstreik.

Ob es ihnen gelingt, das ist die Grundfrage auch für FitzGerald. Damit steht und fällt jenes Abkommen, das als sein größter Erfolg zu werten ist. In der Heimat hat das internationale Hills-borough-Abkommen für den „taoiseach" Früchte getragen.

Die Regierungskoalition, noch Anfang November in der öffentlichen Meinung weit hinter der oppositionellen „Fianna Fail" zurück, hat die Führung trotz aller inneren Schwierigkeiten wieder fest in der Hand. Der Gegenspieler Charles Haughey ist bemerkenswert ruhig geworden.

Dublin feiert den Premier als

den eigentlichen Gewinner, obwohl dieser mit den Problemen des Landes (Arbeitslosigkeit, Auslandsverschuldung, Arbeitsunruhen und fallender Lebensstandard) noch so gar nicht zurecht gekommen ist. - Der vormalige Wirtschaftsprofessor und einstige Dublin-Korrespondent der „Financial Times" hat seine „Fine Gael" in der ihm eigenen Zielstrebigkeit modernisiert.

Mit der natürlichen Arroganz eines geborenen Führers führte er die Partei in einer Dekade aus aussichtsloser Position zur Regierung empor. Doch der politische Erfolg hat nichts an seiner Bescheidenheit geändert. Der Premier lebt im anspruchslosen Dubliner Haus des Sohnes und kümmert sich persönlich um das Wohl seiner an den Rollstuhl gefesselten Frau Joan.

FitzGerald entstammt einer konfessionellen Mischehe, in Irland nicht gerade die beste Voraussetzung für einen Premier. Die

Mutter Muster-Protestantin, der Vater katholisch und streng nationalistisch, erster Außenminister des Freistaates. Vom Letzteren erbt er den Enthusiasmus für Europa, die Liebe zu Frankreichs Sprache und Nation. „Er ist ein Mann, der über nationale Grenzen hinaussieht", urteilt SDP-Präsidentin Shirley Williams. „Er glaubt, daß Europa einen Rahmen schaffen kann, um die traditionellen Probleme zwischen London und Dublin zu erleichtern." Die öffentliche Meinung auf dem europäischen Kontinent ist FitzGerald durchaus nicht gleichgültig. Vor kurzem noch nahm er sich Zeit, die französische Presse zu einem exquisiten Djnner zu laden und mit ihr über Nordirland zu diskutieren.

Nach Hillsborough führt ein langer und beschwerlicher Weg. „Ich habe die Entscheidung nicht leichthin gemacht. Es war ein langer Zeitraum, bis ich wußte, daß dies gemacht werden müßte" (FitzGerald).

Seit 1980 wiederholt der Ire seine Botschaft: Lösung des Ulster-Problems nur durch Zusammenarbeit von London und Dublin, nie aber über die

Köpfe der Bevölkerung im Norden hinweg. Von der nationalistischen Sozialdemokratischen und Arbeiterpartei (Sdlp) in Belfast war FitzGerald ständig gewarnt worden, die katholische Bevölkerung würde mehr und mehr in die Arme des Terrors getrieben, sollte sie weiterhin recht- und stimmlos bleiben.

Dann kamen Schock und Entmutigung vom Herbst 1984, als Margaret Thatcher alle Lösungsvorschläge aus dem Süden rundweg ausschlug. Allein, der Einfluß des „taoiseach" auf die Britin versiegte damit keineswegs, die enge Beziehung hat sich dank FitzGeralds Ausdauer auffallend erhalten.

Hier ist sein Urteil über die Gesprächspartnerin: „Sehr direkt, eine Persönlichkeit mit starken Ansichten und mit der Fähigkeit zuzuhören, wenn es ihr wert erscheint." Nun hat er die unmittelbare Präsenz seines Landes im Norden erreicht, eine offizielle Rolle in der Struktur der Provinz.

Der Beginn eines radikalen Wandels, wenn sich die Minorität mit der Regierung des Landes identifizieren kann: „Es wird die Beziehung der beiden Gemeinschaften in Nordirland transformieren, wenn sich erst einmal der Staub gelegt hat" (FitzGerald).

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