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Ein Erfolg für Europa

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Vergangenes Wochenende ist in Meran ein Stück vom gemeinsamen Haus Europa gerettet worden: die Paketlösung für Südtirol. Beinahe hätte SVP-Obmann Roland Riz einer Niederlage ins Auge sehen müssen, die seine Partei, aber auch das österreichisch-italienische Verhältnis auf eine harte, vielleicht zu harte Probe gestellt hätte. Eine Zehn-Minuten-Rede von Altobmann Silvius Magnago riß in später Stunde einen schwankenden Parteitag mehrheitlich auf die Seite der Parteiführung und der Vernunft.

Das heißt nun: Die letzten offenen Punkte des vor einem Vierteljahrhundert zwischen Österreich und Italien vereinbarten ,.Paketes", mit dessen Komplettierung sich die Regierung in Rom in der Tat unentschuldbar viel Zeit gelassen hat, dürften demnächst endlich verwirklicht werden. Der Streitschlußerklärung Österreichs steht dann nichts mehr im Weg. Sie heißt ja nicht, daß die Schutzfunktion Österreichs damit erlöschen würde. Sie heißt nur: Der konkrete, mit der Paketverwirklichung erledigbare Streit ist für beide Seiten befriedigend abgeschlossen.

Die jüngste Entwicklung in Europa - Wiedererwachen eines aggressiven Nationalismus in jahrzehntelang von kommunistischer Diktatur unterdrückten Staaten - haben manche Chauvinisten auch in demokratischen Ländern falsch gedeutet. Ist nicht die Zeit gekommen, auch von der Wiedervereinigung Süd- und Nordtirols zu sprechen?

Ganz deutlich, aber aus ehrlich den Südtirolem zugetanem Herzen gesprochen, kann die Antwort nur lauten: Eben nicht! Die Südtirol-Streitbeilegung ist ein Musterfall, wie aus der Erkenntnis, daß nationale Grenzen heute keinen Konflikt der Welt mehr lösen können, zukunftsweisende Lösungen entstehen können. Nahezu jedes Land Europas hat ethnische Minderheiten innerhalb seiner Grenzen. Man müßte alle Grenzen und alle Minderheitengesetze Europas in Frage stellen: unausdenkbar! Es gibt nur eine vernünftige Lösung: großzügigen Minderheitenschutz, mehr noch: eine Minderheitenentwicklungsgarantie.

Sie ist heute aktueller denn je. Gerade der Zusammenschluß zu größeren Einheiten wie der Integrationsprozeß Europas rufen das natürliche Bedürfnis der EG-Gliedstaaten hervor, ihre Eigenart zu wahren. Integration kann überhaupt nur gelingen, wenn auch Dezentralisation und Regionalisierung voranschreiten. Deshalb ist es auch unsinnig, den EG-Gedanken gegen den Mitteleuropa-Gedanken auszuspielen: Eins schließt das andere nicht aus, sondern naturnotwendig ein. In der EG arbeiten die Beneluxländer, in der EFTA die skandinavischen Staaten (diese sogar zwischen EG und EFTA) besonders eng zusammen. Auch die „Mitteleuropäer", auch die Hexagonale werden im Rahmen Gesamteuropas eine unverzichtbare Rolle spielen müssen. Österreich und Italien haben mit dem Südtirol-Paket ein Modell für das Europa von morgen entwickelt. Es war wichtig, dieses Modell in Meran mit Aufbietung aller Kräfte zu retten.

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