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Ernsthaftes Bemühen

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Niemand würde wohl einen Vergleich anstellen wollen, wer der größere Künstler sei, Rembrandt oder Beethoven — doch merkwürdigerweise sind dergleichen absurde Fragen beim Film noch immer üblich. Anscheinend hat sich noch immer nicht herumgesprochen, daß Film etwas völlig anderes ist als das Theater, die Oper, der Roman usw. Aber dennoch werden Filme immer, so die Möglichkeit vorhanden ist, an diesen technisch und stilmäßig gänzlich verschiedenen Kunstformen gemessen, mit ihnen verglichen. Und wenn dann womöglich noch lokalpatriotische Sentimentalität dazukommt, wird es besonders arg ...

Also ich weigere mich entschieden, die Verfilmung des Musicals „Der Mann von la Mancha“ mit einer gleichnamigen Aufführung im Theater a. d. Wien in irgendeine Beziehung zu setzen — das eine war Bühne, hier ist ein Film zu beurteilen. Und als solcher nicht einmal ein schlechter! Zugegeben, er wirkt sentimental — aber ist die Vorlage, die tragische Geschichte des in einer Idealwelt lebenden und von ihr träumenden Don Quixote nicht auch irgendwie rührselig? Man sollte dagegenhalten, wie der Autor geschickt aktuelle Züge und zeitlose Kritik in sein Werk unterzubringen verstand (die Diktaturen-Parabel ist nur zu deutlich!). Und zugegeben weiter, er wirkt manchmal sehr düster — aber ist die Umwelt eines jeden Don Quixote (womit ich den reinen Toren, den individualistischen Idealisten, den Träumer und Weltverbesserer meine, nicht einen Narren!) heller, freundlicher? Vielleicht ist sie es nur für Narren! Und letztlich: auch das zugegeben, der Film ist sehr breit angelegt, zieht sich et-

was — doch sind so viele Details in ihm, die es zu sehen gäbe, liegt soviel an Thematik in dem Stoff, daß mehr Geduld angebracht wäre und mehr Nachdenklichkeit! Und wie hervorragend ist Peter O'Toole, wohl der beste Mann von la Mancha, der denkbar ist. Leider kann man dies von Sophia Loren nicht behaupten, die nur eine Persönlichkeit (dies im Sinn eines neapolitanischen Frauentyps), aber keine Darstellerin, geschweige eine Schauspielerin ist. Wer dennoch sich vornimmt, den Film mit der Bühnenaufführung zu vergleichen, sollte lieber nicht ins Kino gehen!

Maximilian Schells Filmregie-Opus Nr. 2 (wieweit er auch regielich beim „Schloß“ tätig war, sei dahingestellt!) ist nicht minder ambi-tioniert und prätentiös als sein(e) Vorgänger — aber auch nicht weniger manieriert: was Schell glaubte, alles an deutscher Gegenwart und Vergangenheit in einem Film unterbringen zu müssen, der sich beziehungsreich und symbolisch tief „Der Fußgänger“ betitelt, entlarvt sich spätestens in der Szene der Damen-tischrunde, die jeden Filmhistoriker in Begeisterungsschreie ausbrechen läßt und bei der Elisabeth Bergner, Lil Dagover, Francoise Rosay, Käthe Haak, Peggy Ashcroft und Johanna Hofer versammelt sind (nicht weit davon ist auch noch Angela Salloker untergebracht!) als monströse Kunstspielerei eines Maßlosen und, leider, Ungehemmten. „Leider“ dann, wenn man kein Orson Welles ist... Womit ich jedoch keinesfalls Maximilian Schell ehrliche Überzeugung und aufrichtiges, kritisches Wollen absprechen will. Nur Maßhalten kann er leider nicht.

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