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Festspielsommer
Jetzt sprießen sie wieder: die grünen Halme, die gelben Schlüsselblumen und die vielen, vielen Festwochen, Kulturtage, Musikwochenenden, Literaturmatineen, Burgspiele, Schloßabende,
Höhenlesungen — und was den Kulturbemühten sonst noch alles einfällt. Jetzt werden sie auch wieder vorbereitet: die zustimmenden Erklärungen, warum soviel Kultur für Volk und Raum wichtig ist, und die Widerworte, die vor einer schlimmen Inflation kultureller Werte warnen.
Die Festspiel-Gegner hatten früher, als alle rundum voll beschäftigt waren, durchaus Gehör gefunden, heute geht es ihnen weniger gut. Wenn die vielen Schauspieler und Musiker, Dichter und Komponisten schon keine rechte Arbeit in den international renommierten Festivalzentren finden, dann wollen wir sie doch wenigstens lokal beschäftigen — und sei's auch bloß am Rande eines Steppensees, in brüchig gewordenen Barockschlössern oder an anderen, für künstlerische Produktionen besonders geeigneten Plätzen.
Uberwinden wir unseren bürgerlichen Kunstpessimismus und freuen uns, wenigstens aus beschäftigungspolitischen Überlegungen, auf den nächsten Festspielsommer.
Indes: Wird es einen solchen geben? Können wir auf die 34 angekündigten Aufführungen von „Urfaust” und „Jedermann” (in der jeweiligen Lokalfassung mit Bezug zum örtlichen Zentralgemäuer) mit Recht hoffen? Es mehren sich die Zeichen, daß nicht! Ja, ja, meinen Sie, die Finanzen! Nein, nein, wiegen Sie den Kopf, das Publikum!
Sie haben schon recht: Geldquellen und Zuschauerreservoirs sind nicht unerschöpflich. Aber wo sich ein städtischer Schauspielbeamter als Generalintendant der örtlichen Kunsttage zur Verfügung stellt, wo man Schul-direktorskinder und Gemeindearztfrauen zum Folkloreballett gewinnen kann, dort bleiben für die geplanten zwei Aufführungen auch genug Verwandte und Sommergäste, und die Kosten können durch Sachspenden der vorhandenen Handwerker und Einsatz der Freiwilligen Feuerwehr gering gehalten werden.
Nein, nein! Die Ursache dräuender Festspielzusammenbrüche liegt ganz woanders: Die
Kritiker werden knapp!
Was aber wäre eine Aufführung von „Genoveva oder Die weiße Hirschkuh” bei den Kammerspieltagen auf Schloß Eggerschau ohne eine kritische Würdigung von Regie, Darstellung, Stückwahl, Intendanz, anwesender politischer Prominenz, finanziellem Engagement und kulturellem Bürgersinn? Wer aber soll die Kritiken für die Bezirkszeitungen und die Parteipostillen, die Anzeigenblätter und die Postwurfbroschüren verfassen?
Die professionellen Kritiker sind, das kann man täglich in den Kulturspalten der großen Tageszeitungen und wöchentlich in den Magazinen nachlesen, völlig überlastet — nicht wenige auch überfordert. Nachwuchs gibt es kaum, denn solcher drängte ja in die großen Blätter und bedrängte dort die vorhandenen. Und die sind noch dutzende Jahre jung genug, um sich von niemandem verdrängen zu lassen.
Dann gäbe es freilich noch die Lehrer und vielerlei Gemeindebeamte, die sich gerne mit Kritischem gedruckt sähen. Aber erstens fehlt diesen die rechte Übung im Schreiben, was freilich gelegentlich Veröffentlichungen in Heimatzeitungen'nicht verhindert, und zweitens, schon deutlich hinderlicher, sind sie meistens an den örtlichen Kunstveranstaltungen an führender Stelle beteiligt. Da bleibt nur mehr die Möglichkeit, auch diese nicht zur Kunstkritik zuzulassen.
Es ist also mit einer Austrocknung, Verödung, Versandung unserer Festivallandschaft zu rechnen. Und wieder werden es die Kritiker sein, die daran Schuld haben.
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