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IM STREIFLICHT

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mÄHREND einer sozialistischen Kulturtagung, die kürzlich unter dem Vorsitz des — Verkehrsministers stattgefunden hat, wurden unter anderem einige kluge Worte über die bedauerliche Isolierung der Museen und über die notwendige Förderung von Kunst und Wissenschaft gesprochen. Unter anderem. In der Hauptsache nämlich gab es mancherlei weniger friedliche und erfreuliche Töne. Ein schätzenswerter Literat wies auf „die großartige Niedertracht hin, mit der die bürgerliche Welt und ihre Vergnügungsindustrie sich der erkämpften Freiheit der Arbeiterschaft bemächtigt“ habe — was die Vertreter etwa des österreichischen Kino-Amüsier-Großkapitalismus, genannt Kiba, wohl recht verlegen zur Kenntnis genommen haben dürften; ein Nationalrat und Parteiideologe verlangte von den Künstlern, daß sie „nicht nur Kritik an der bestehenden“ (und bekanntlich bereits weitgehend sozialistischen) Gesellschaft üben sollen, sondern auch Botschafter einer schöneren (also ganz und gar sozialistischen) Zukunft seien. Und ein Stadtrat forderte die Künstler auf, den „sozialen Forderungen“ unserer Zeit gerecht zu werden — was gewiß recht unschuldig klänge, wenn der Stadtrat nicht ein Sozialist wäre... Unter anderem wurden während dieser Kulturtage also auch recht kulturkämpferische Worte laut... *

TJIN Streiflicht berichtete vor einigen Wochen, daß an die Stelle eines Kellertheaters, das nicht mehr eröffnet, drei neue getreten seien: die Tribüne, das Kaleidoskop und die Kleine Schaubühne. Schon ist die Liste unvollständig geworden, denn zwei weitere kleine Bühnen haben sich zu Wort gemeldet: die „Kleine Komödie“ im ehemaligen Wiener Werkel und das „Ateliertheater“ in der Alraune. Die „Kleine Komödie“ begann ungut; vom „Ateliertheater“ wollen wir Besseres hoffen, obwohl auch hier der Genius loci der Kunst ein wenig abhold zu sein scheint. Bleibt nur das „Kleine Theater im Konzerthaus“ einstweilen noch leer stehen. Schon hört man aber von Plänen, die für Theaterbetrieb vorzüglich geeigneten Kellerräumlichkeiten in ein Kino umzuwandeln. Da es sich aber um ein Kleinkino und nicht um ein Großkino handeln würde, könnten wenigstens wertvolle Filme gespielt werden...

TTAT man je schon solch einen Vortragstitel gehört? „Faßliche Ableitung des Wesens der gegenwärtigen Kunst von einem Werk Egon Schieies — Aufstieg auf den Nanga Parbat des Kunstverständnisses — Errichtung des ersten Etaenlagers in 1000 Meter Höhe, bei günstigen Bedingungen 2000 Meter.“ Nun, der Titel mag witzig sein, ein Nanga Parbat des Geschmacks ist er gewiß nicht; aber der Vortrag wurde ..draußen“, in Stadlau gehalten — von einem bekanten Maler übrigens und es heißt, daß er vom Publikum verständnisvoll aufgenommen worden sei. Auch die Kunst muß sich eben der „tieferen“ Töne bedienen, da draußen.

TT EIN Meisterstück ist der Umbau der Kreu-zung Landesgerichtsstraße und Universitätsstraße geworden. Sie gleicht jetzt einem Labyrinth, in dem Verkehrspolizisten die Rolle der Ariadne spielen, ohne damit recht fertig zu werden; ein Wirrwarr von weißen Pfeilen und Strichen macht den Platz keineswegs übersichtlicher, Grünanlagen und Bäume sind umsonst geopfert worden und die „wunden Punkte“, an denen die Fahrzeuge sich hart im Räume reiben, sind zahlreicher denn je. Was das wohl gekostet haben mag?

TjEIDERSEITS der Votivkirche befinden sich zwei ungepflasterte Geländestücke, aus denen hauptsächlich die Hunde ein gewisses Maß an Nutzen ziehen. Den Menschen ergötzen sie weniger — teils, weil sie wüst aussehen, teils, weil der Wind dort breite Staubfahnen aufwirbelt und die Hunde usw. Und doch könnte man dort endlich nicht nur eine neue Grünanlage, sondern auch hübsche und in dieser Gegend sehr notwendige Kinderspielplätze aus den beiden Flächen machen. Warum soll nicht auch der Mensch ein bißchen Nutzen aus ihnen ziehen?

T*\ER ergreifende Augenblick, da die Rußland-heimkehrer nach langen Jahren unfreiwilliger Abwesenheit wieder österreichischen Boden betraten, bedeutete u. a. auch für die drei neuzeitlichen Berichtarten: Presse, Rundfunk und Film, eine Bewährungsprobe ersten Ranges. Am besten bestand die Probe diesmal die Austria-Wochenschau, die in Bild, Ton und Schnitt, noch mehr aber in der sehr verhaltenen, noblen und sachlichen „Dramaturgie“, einen schlechtweg idealen Bericht gab. Die Wirkung im Publikum geht tief, tiefer als in manchen über-schrieenen, seitenlangen Zeitungsreportagen. *

“TpUGENDEN und Untugenden hat jede Film-x nation. Die ersteren sollten mehr gepflegt werden. Die letzteren werden es bis zum Ueber-druß. Oder sind der deutsche Heimatkitsch, das amerikanische Catch-as-can-ending, die schwedische Badeszene, das französische Zötchen und das grinsende Grinzing des österreichischen Films noch ernst zu nehmen? Das Publikum jedenfalls lacht schon längst bei den erwähnten „nationalen Paraden“ — nur die Autoren, Regisseure und Produzenten merken es noch nicht.

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