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Filmkrise überwunden?

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Was gemeinhin als Filmkrise bezeichnet wurde und immer noch wird, war und ist die Auswirkung struktureller Veränderungen in den Lebensgewohnheiten der Menschen, soweit es ihre Freizeitgestaltung betrifft, und die Zurückdrängung des Films im Rahmen der gesamten Unterhaltungsindustrie auf den ihm zukommenden Raum, während der Film vorher ja fast als alleinbeherrschend existent war und sich auch sozusagen von selbst verkaufte. In diesen ersten Jahren der sogenannten Filmkrise, die eine Absatzkrise war, zeichnete sich das Fernsehen als etwa nur gleichwertige, wenn nicht sogar nachrangige Konkurrenz gegenüber allen anderen, eben die neue Struktur der Gesellschaft bestimmenden Möglichkeiten einer Freizeitgestaltung ab.

Die „Wellen"

Die Filmwirtschaft in aller Welt reagierte auf diese Veränderung in der gesellschaftlichen Struktur zum Teil recht unterschiedlich. Es kamen die sogenannten Wellen. Zuerst auf technischem Sektor mit mehr Farbe, das heißt also, Farbfilm auch dort, wo es das Thema nicht erfordert hätte, ja wo sogar die Farbe abträglich war. Diese Filme kamen nun zu teuer, spielten ihre Produktionskosten nicht ein und machten die Krise offenbar. Zur gleichen Zeit aber drängte man von den USA her das Scope-Verfahren auch den europäischen Kinobesitzem auf, obwohl sich hier damals das Fernsehen noch nicht als fühlbare Konkurrenz erwies. Diese Umstellung kostete jedoch die Kinobesitzer viel Geld und nahm ihnen ein Gutteil jener Substanz, die sie benötigt hätten, um die Durststrecke zu überstehen; was nicht zuletzt auch zu den vielen Kinoschließungen in den letzten zwei Jahren bei trug. Dann kamen die Wellen vom Thema her, Über die wir uns ausschweigen können.

Es mag nun an der Überalterung in vielen Bereichen der Filmwirtschaft liegen, es mag aber auch der rapide Besucherabfall daran schuld sein, daß man zwar die Notwendigkeit erkannte, sich strukturell anzupassen, aber versäumte, die eigenen, längst überholten Strukturen zu ändern. Damit ist gemeint, daß man etwa — um von vorne zu beginnen — Ateliers für die Filmherstellung anbietet, die in den ersten Nachkriegsjahren noch durchaus akzeptabel waren es jedoch heute einfach nicht mehr sein können, wenn die

Qualität des zu belichtenden Negativmaterials die Dreharbeit an allen Originalschauplätzen einschließlich historischer Innenräume gestattet; darunter ist aber auch zu verstehen, daß heute noch für den Film- und Kinobesuch — von wenigen Ausnahmen abgesehen — in der Art der späten zwanziger Jahre geworben wird, wovon sich jedermann an Hand von Plakaten, Inseraten und Aushangphotos überzeugen kann. Hier gelang der Filmwirtschaft der Sprung von der Reklame zur Werbung nicht. Unter die versäumte Strukturanpassung fallen aber auch weitgehend das „Blindbuchen“, das Einsetzen von Filmen in Lichtspieltheatern nämlich, denen es an Publikum für die behandelten Themen mangelt, oder die Ausstattung der Theater, die bequem sein müßte, mit einem größeren Reihenabstand, aber auch im Foyer eine Art Treffpunkt zu bieten hätte, was vor allem für Kleinstädte und Gemeinden gilt.

Filmförderungsgesetz?

Daß die Strukturen nun langsam und stetig, aber doch ein wenig spät erkennbare Formen annehmen und daß der Begriff von der Filmkrise im

Sprachgebrauch unangebracht ist, beweist die Produktionsstatistik im Österreich des Jahres 1970. Noch in keinem Jahr seit 1945 wurden in Österreich so viele Filme hergestellt wie im Vorjahr; und dies wohlgemerkt ohne Filmförderungsgesetz, sondern im Hinblick auf eine eben veränderte Struktur auf der Hersteller- und Abnehmerseite. Wurden beispielsweise 1956 in Österreich inklusive der Coproduktionen 32 Spielfilme erzeugt, so waren es 1970 nur zwei abendfüllende Kinofilme und 14 Kurzfilme unter tausend Metern. Hingegen entstanden 1970 35 Langfilme mit mehr als tausend Metern im 35-mm-Format für das Fernsehen, dazu noch 21 Kurzfilme unter tausend Metern, 33 sozusagen abendfüllende Filme wurden für das Fernsehen im 16-mm-Format gedreht und 112 Kurzfilme im gleichen Format. Nun handelt es sich hier nicht um fernseheigene Produktio-

nen, sondern um Filme, die von zehn Produzenten im 35-mm-Format und von 21 Herstellern im 16-mm-Format gedreht wurden. Von diesem Produktionsergebnis haben die Lichtspieltheater und ihr Publikum nichts, aber niemand kann bei Kenntnis solcher Ziffern behaupten, die österreichische Filmproduktion sei in ihrer Existenz’ bedroht oder gar schon gestorben. Bei einem solchen Jahresergebnis zeichnet sich lediglich die Form einer bereits vollzogenen Strukturänderung ab. Sollte nun auch Österreich wie alle westeuropäischen Länder ein Filmförderungsgesetz erhalten, dann würde eben durch diese veränderte Struktur der benötigte Stab an Technikern, Kameraleuten, Assistenten usw. ebenso erhalten wie das Schauspielerreservoir und ist sofort auch für eine gesteigerte Kinospielfilmproduktion einsetzbar.

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