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FÜHRTE ANDREAS W. MYTZE.

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Häjek, Anfang 1968 als Chefredakteur der literarischen Monatsschrift „Plamen“ abgelöst, gilt heute als einer der einflußreichsten Männer in der tschechischen Kulturpolitik. Gegenwärtig leitet Häjek die von der KPC herausgegebene „Tvorba“.

Herr Hdjek, Anfang des Jahres hieß es, daß ein neuer tschechischer Schriftstellerverband gegründet würde, der die Funktion hat, den alten, noch nicht einmal zwei Jahre existierenden Verband abzulösen. Worauf ist die Verzögerung zurückzuführen und wem untersteht der neue Verband?

HÄJEK: Man kann eigentlich von keiner Verzögerung sprechen, weil schon Ende des vorigen Jahres ein neues vorbereitetes Komitee gebildet und mit der Gründung des neuen Schriftstedlerverbandes beauftragt wurde. Oder besser gesagt: das Komitee hat sich selbst diese Aufgabe gestellt. Die Gründungskonferenz soll innerhalb von zwei Monaten stattflnden.

In der Slowakei ist die Situation der Schriftsteller offenbar eine ganz andere…

HÄJEK: Ja, dort hat man aber auch gewisse Veränderungen innerhalb des alten existierenden Verbandes vorgenommen. Dafür bleibt eine ganz klare Kontinuität zwischen altem und neuem Verband. Zur Frage, wem der Schriftstellerverband untersteht.

Der tschechische…

HÄJEK: Der tschechische wie der slowakische, das ist das gleiche. Von „unterstehen“ kann nicht die Rede sein, sondern es muß von einer organisatorischen Eingliederung des Schriftstellerverbandes gesprochen werden. Früher gehörte er in den Bereich der Nationalen Front, heute gehört er in den Bereich des Ministeriums für Kultur. Das ist der Unterschied.

Welche Möglichkeiten hat heute ein aus der Partei ausgeschlossener Schriftsteller? Ich denke da an Josef Skvorecky, der in den fünfziger Jahren zehn Jahre warten mußte, bis er seine „Feiglinge“ veröffentlichen lassen konnte. Das ist jetzt nur ein Beispiel. Muß also ein Schriftsteller heute wieder zehn Jahre warten, bis er veröffentlichen kann?

HÄJEK: Eine spezielle Frage sind die emigrierten Schriftsteller, die wir vorläufig nicht publizieren werden bei uns. Was die Ausgeschlossenen betrifft, muß man zwei Kategorien unterscheiden: die Ausgeschlossenen und die .Gestrichenen. Die Gestrichenen haben viel leichtere Bedingungen. in die Partei zurückzukehren. Die Ausgeschlossenen muß man individuell betrachten. So zum Beispiel, wenn man von Pavel Kohout spricht, der einem unserer Verlage sein neues Buch angeboten hat, das in Westdeutschland erschienen ist…

… in der Schweiz meinen Sie wahr- schenličh, „Das Tagebuch eines Konterrevolutionärs“…

HÄJEK: Ja, das wird man bei uns nicht publizieren. Soweit ich weiß, hat jetzt auch Ludvi Vaculik einen neuen Roman fertig, der sozusagen unpolitische sein soll. Ich bin nicht der Verleger, also nicht verantwortlich, aber ich sehe in ein oder zwei Jahren kein Hindernis, diesen Roman zu veröffentlichen.

Es gibt eine Liste, die in „Les Lett- res franęaises“ erschienen ist. Vielleicht kennen Sie sie. Dort wird unterteilt in verschiedene Kategorien, die Sie bereits erwähnt haben. Es werden einige Titel aufgeführt, auch ausländische Autoren. Ist Ihnen die Liste bekannt und wer ist dafür zuständig, daß die betreffenden Bücher aus Bibliotheken und Verlagshäusem entfernt wurden, und ist Ihnen auch bekannt, daß bereits fertige Produktionen nicht amgeliefert werden dürfen?

HÄJEK: Wenn eine derartige Liste existiert, wäre das eine Angelegenheit des Ministeriums für Kultur. Worüber ich informiert bin ist die Tatsache, daß aus den Plänen des Verlages „Ceskoslovensky spisova- tel“ einige Bücher entfernt wurden, die direkte politische Anspielungen enthielten und eine negative politische Rolle gespielt hätten, wenn sie jetzt erschienen wären.

Die literarischen Kontakte zur Bundesrepublik scheinen augenblicklich eingefroren zu sein. Sehen Sie Chancen eines Aufschwungs, etwa im Zusammenhang mit den deutschtschechischen Gesprächen?

HÄJEK: Das ist zu wünschen. Wenn es so ist, wie Sie sagen, dann ist es nicht unsere Schuld. Es hängt vor allem davon ab, ob unsere Partner in der Bundesrepublik, im Kulturleben der Bundesrepublik, die neue kulturelle Repräsentanz unseres Landes annehmen. Wenn Sie diese Kontakte zum Beispiel mit Leuten wie Pavel Kohout aufrechterhalten wollen, dann ist es ihre Sache, aber dann können wir nicht…

Ich glaube, da sind Sie nicht sehr gut informiert. Pavel Kohout ist nicht der einzige Tscheche, der in der Bundesrepublik bekannt ist.

HÄJEK: Ich sage diesen Namen, weil er populär geworden ist. Es gibt selbstverständlich viele andere, und wenn es um Leute geht, die emigriert sind…

… würden Sie Namen nennen können, wen Sie speziell vielleicht meinen…

HÄJEK: Zum Beispiel der Dichter Ivan Divis, der augenblicklich im „Freien Europa“ arbeitet oder Ivo Fleischmann, Askenazy, also diese Leute stellen augenblicklich nicht die tschechische Literatur vor, obwohl ich sie nicht definitiv aus unserer Literatur streichen will. Man muß immer unterscheiden zwischen deT Ebene der Literatur und des kulturpolitischen Lebens. Und wenn man auch nicht aide Schriftsteller in den neuen Schriftstellerverband aufnehmen wird, dann heißt das überhaupt nicht, daß sie nicht publizieren können. Von der Mitgliedschaft im neuen Verband abgesehen, werden die meisten Autoren publizieren können, wenn es um Werke geht, die nicht im Widerspruch mit den Interessen sagen wir der heutigen Politik unserer Partei stehen.

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