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Für höhere Pfadfinder
Konflikte um „Opus Dei“ und die Ansatzpunkte der Kritik daran sind nichts Neues. Der folgende, fast 25 Jahre alte Beitrag dazu könnte fast heute geschrieben worden sein.
Konflikte um „Opus Dei“ und die Ansatzpunkte der Kritik daran sind nichts Neues. Der folgende, fast 25 Jahre alte Beitrag dazu könnte fast heute geschrieben worden sein.
Integralismus herrscht überall dort, wo Offenbarung primär als ein System wahrer, zu glaubender Sätze von oben her vorgestellt und wo infolgedessen die Form über den Inhalt, die Macht über das Kreuz gestellt wird. Der Integralist strebt mit allen Mitteln, sichtbaren und verborgenen, öffentlichen und geheimen, zuerst die politische und soziale Machtstellung der Kirche an, um dann von dieser errungenen Festung und Kanzel aus die Bergpredigt und Golgotha zu verkünden...
Die stärkste integralistische Machtballung in der Kirche... ist heute ohne Zweifel das Opus Dei, ein Säkularinstitut mit Tausenden von Mitgliedern, vor allem in der akademischen Welt, und mit Weltverbreitung...
Wir fragen lediglich nach der Spiritualität und erhalten den „Camino“ des Gründers und Leiters Jose M. Escrivä (deutsch, vielfach gedämpft: „Der Weg“) in die Hand gedrückt... Im Durchblättern der 999 Aphorismen, Sentenzen und Parolen erschrecken wir: Sollte der Verfasser wirklich der Meinung sein, hier eine echte Spiritualität zu entwickeln, gar eine, die ausreicht, um ein so gewaltiges Elitecorps christlich zu ernähren?
Es ist ein'Handbüchlein für höhere Pfadfinder. Spanisch? Aber spanisch ist doch auch die authentische Mystik des Ramön Llull, Johannes vom Kreuz und Ignatius von Loyola, mit dem Herzklang des Evangeliums und mit Werten für die Jahrhunderte... hier eine willkürliche, kleine Lese, um den „neuen Ton“ ins Ohr zu bekommen:
„Du willst ein Durchschnittsmensch sein? In der Masse untergehen? Du bist doch zum Führer (caudillo) geboren! Unter uns ist kein Platz für Laue... Sei stark und männlich. So wirst du zunächst Herr über dich selbst und dann Richtschnur, Vorsteher, Führer (caudülo), der die andern sich verpflichtet, vorantreibt, mit sich reißt mit deinem Beispiel, mit deinem Wort, mit deiner Wissenschaft, mit deiner Überlegenheit (imperio). Die Ehe ist für das Fußvolk, nicht für den Generalstab Christi. Sehnsucht nach Kindern? Ja, Kinder, viele Kinder, und eine untilgbare Lichtspur hinterlassen wir, wenn wir den Egoismus des Fleisches opfern...
Du bist ein Sandsack, raffe dich auf! Caudillo, stähle deinen Willen, damit Gott dich zum Führer mache!... Viel Gehorsam ist nötig. Ein Laie, der sich zum Lehrer der Moral auf wirf t, wird oft fehlgreifen; Laien können nur Schüler sein. Der Priester, wer er auch sei, ist immer ein zweiter Christus. Gott lieben und den Priester nicht ehren: das ist unvereinbar.“
„Du sagtest doch, du wolltest caudillo werden?“ lautet die Suggestivfrage Nr. 931. Ach nein, Monsignore, ich glaube nicht, daß ich das sagte...
Es gäbe noch viele Formen des Integralismus im In- und Ausland zu beschreiben, viele Abstufungen auch vom kirchlichen Rand zur kirchlichen Mitte hin. Der möglichen Kombinationen zwischen Traditionalismus, Monarchismus, Juridismus und Armeegeist, Geheimgesellschaft, Politik und Hochfinanz sind unendliche.
Das Problem bleibt, ob und wie diese (sehr verschiedenartigen) Wertsphären in den Dienst Jesu Christi gestellt werden können, der als „Lamm“ und nicht als Tiger die Sünde der Welt getragen hat, der am Schandpfahl des Kreuzes und nicht auf Hochschulkathedern die Lehre seines Vaters verkündet hat, der in Diengesinnung (De-mut) und Bodennähe (humilis=humusnah) schlicht und ohne „apostolische Taktik“ den Nächsten geliebt hat, und zwar wesentlich ohne Rücksicht auf seine eigene Identität, sondern als „Samariter“ über die feindliche Grenze hinweg.
Aus: Integralismus (Wort und Wahrheit, 18/1963, 737-747).
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