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Ganz tief im Wellental

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Die Wiederkehr des Gleichen macht uns wieder einmal zu schaffen. Ein neuer Modemismusstreit bahnt sich an oder ist schon ausgebrochen, der Liberalismus wird wieder als zersetzende Kraft entdeckt. Innerkirchlich bedeutet das die Einübung in die Ausgrenzung. Wer es wagt, kritische Positionen einzunehmen, dem wird flugs unterschoben, nicht mehr katholisch zu sein.

Gibt es in der Kirche wirklich so etwas wie ein konstitutionelles Mißtrauen gegen die Freiheit des Geistes oder sind wir derzeit nur in einem Wellental - freilich besonders tief unten für alle jene, die das Zweite Vatikanum als befreiendes Erlebnis begrüßt haben, weil sie meinten, das Ende der religiösen Herrschaftsideologie sei nun gekommen.

Im Jahre 1968 veröffentlichte die Wochenzeitung „Publik" eine Rede des Theologen Johann Baptist Metz, in der er auf aktuelle Vorkommnisse reagierte. Und leider sind seine damaligen Feststellungen heute aktueller denn je. Etwa, wenn er sagte, daß das Problem der Kirche von morgen nicht die kritischen Intellektuellen sein würden (die sind indes ohnedies weitgehend emigriert), sondern die „einfachen Leute", die vielzitierte „Herde Christi", die heute zutiefst irritiert scheint, „und zwar nicht in erster Linie von einer kritischen Theologie, sondern von der Institution Kirche selbst".

Nicht ein Zuviel an Kritik, sondern ein katastrophaler Mangel an eingeübter kritischer Freiheit in der Kirche sei das eigentliche Problem, meinte Johann B. Metz damals. Aber er geht weiter in seiner Analyse: Wer die Entwicklung eines kritischen Bewußtseins schon als Symptom des Abfalls sehe, der müsse sich fragen lassen, ob er wirklich die Kirche Jesu Christi „oder nicht eher ein kritik- und humorloses religiöses Sektierertum will; ob er nicht Kirchenfrömmigkeit mit einer Art Voluntarismus verwechsle".

Beweist wahre Kirchlichkeit wirklich nur der, der sich ständig auf seine Autorität berufen muß und sofort mit Disziplinarmaßnahmen, Ausgrenzungen und Ausladungen bei der Hand ist, wenn eine Meinung oder eine Person nicht seinen Vorstellungen von der Reinheit des Glaubens entspricht?

Wo gibts in dieser Kirche eigentlich noch das Vertrauen auf die Kraft des Geistes? Wirkt der nur bei Bischofsernennungen? Tiefgläubigkeit herrscht offensichtlich nur dort, wo man sich mit neuerer Theologie nicht beschäftigt hat - oder zumindest so, daß die Beschäftigung nicht über den Kreis theologisch Eingeweihter hinausgegangen ist. Alle anderen sind modernistisch angepaßte liberale Kleingläubige.

Was die Kleingläubigkeit angeht, muß der Verdacht ausgesprochen werden, daß es auch umgekehrt sein kann.

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