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Der Maßstab Jesu ist die Liebe

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Bevor Christen auf die Suche nach direkten Antworten aus der Bibel gehen, sollten sie grundsätzlich prüfen, ob sich ihre eigene Fragestellung überhaupt dort findet. Ohne Zweifel gab es auch in der Gemeinschaft von Christen zu jeder Zeit disziplinäre Maßregelung untereinander, die bis zur Trennung voneinander führen konnte. Doch vor allem die Praxis Jesu läßt keinen Zweifel darüber, daß „die Trennung“, also ein Schlußstrich im Sinne von Ausgrenzung, keine Lösung im Sinne des Glaubens an den barmherzigen Gott ist, sondern ein klares Zeichen von menschlichem Kleinglauben und Hartherzigkeit. Für Jesus galt, konkret im Falle des Ehebruchs, ja sogar einer Hure gegen über: „Wem wenig vergeben wird, der liebt wenig!“ Wenn jemand viel Liebe zeigt, können diesem Menschen auch viele Sünden vergeben werden (so in Lukas 7,47).

Meines Erachtens gibt Jesus mit dieser Stellungnahme die Frage zurück an die richtenden Verurteiler: Können sie von sich behaupten, genug zu lieben, um für sich selbst Vergebung vom barmherzigen Gott erwarten zu können? Das ist das neue Kriterium Jesu: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet!“ (Matthäus 7,1) Für all unsere ethischen Positionen heute können wir uns also nicht bloß auf Beispiele berufen, die schon Tradition haben und sich vielleicht sogar irgendwo als menschliche Problemlösungen in der Bibel finden, sondern wir haben uns jeweils selbst dem Anspruch Jesu in unserer Gegenwart zu stellen.

Dazu kommt, daß die kirchengeschichtliche Entwicklung und Ausprägung - gerade des Eucharistiebegriffs - weit über das hinaus geht, was im Neuen Testament „da“ ist. In der letzten „Tischgemeinschaft“ Jesu ist eindeutig ER der Gastgeber und nicht die Kirche (die es nocn gar nicht gab) ... Und dabei wurde nicht einmal Judas ausgeschlossen! ... Darum gilt es für die evangelische Kirche, ihrer Überzeugung nach, dem Evangelium gemäß, prinzipiell als Kirche dieses Herrn nur eine Einladung an alle „weiter-ge- ben“ zu dürfen: Neues Leben, mitten aus jedem Tod.

Die Autorin ist

Superintendentin der Evangelischen Kirche A.B. für das Burgenland

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