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„Gretchen kann das Fragen nicht lassen“

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Der 1948 geborene Burgenländer Josef Dirnbeck hat in Wien und Graz Theologie studiert. Seit 1972 lebt er als freier Schriftsteller in Wien. Er veröffentlichte theologische und literarische Studien. Ihn beschäftigt vor allem die Beziehung zwischen Theologie und Kunst, speziell Literatur.

Darüber schrieb er Beiträge für Bücher und Zeitschriften. Gemeinsam mit M. Gutl veröffentlichte er Texte für Meditationen zum Gottesdienst unter dem Titel „Ich begann zu beten“, die 1976 bereits in dritter Auflage im Styria-Verlag erschienen sind, der auch „Unser JA. — Leben mit dir“ sowie Dirnbecks vorläufig letztes Buch „Die brennenden Körbe der Schildbürger“ herausgab.

Das Verhältnis zwischen Theologie und Literatur ist belastet. Der Schriftsteller fühlt sich oft bevormundet, da ihm immer gleich die Gretchenfrage gestellt wird, ob die Lektüre seiner Produkte Widersprüchliches zur Glaubenslehre vermittelt oder jene bestätigt. Was man von ihm erwartete, war „eine Fortsetzung der Theologie mit anderen Mitteln“. Also ein „vereinnahmendes Interesse“ an der Literatur. Nun hat sich aber seit der Mitte der sechziger Jahre ein „Neuansatz“ von Seiten der Theologie gezeigt: sich auf einen Dialog mit den Schriftstellern einzulassen und sie als Gesprächspartner ernst zu nehmen. Und sie tut gut daran. Denn man muß doch dem Künstler — das gilt nicht nur für den Schriftsteller — die bona fides zubilligen, das heißt: er treibt, von einigen Scharlatanen abgesehen (die es aber auf allen Lebensgebieten

gibt), nicht absichtlich Unsinn und schreibt nicht das Gegenteil von dem, was er meint, sondern beschäftigt sich gründlich und von seiner Intuition geleitet mit dem, was er behandelt. (Das haben mit dankbaren Worten wiederholt auch große Psychologen, Psychiater und Tiefenpsychologen jeder Couleur den Dichtern bestätigt.) Anderseits ist nicht viel Positives zu erwarten, wenn sich Dichter sozusagen „programmatisch“ mit theologischen Fragen beschäftigen.

Es geht also um „Annäherungen“, und dies ist ja auch der Untertitel von Dirnbecks Buch „Die brennenden Körbe der Schildbürger — Religion und Sprache in literarischen Annäherungen“, dem wir zwei Abschnitte entnehmen. Über dieses Thema hat der Autor einmal im August 1973 im Rahmen einer Tagung der Katholischen Akademie in Batschuns in Vorarlberg einen literarischen Abend gestaltet. Die Aufforderung von Monsignore Otto Mauer lautete: kein literarischer Vortrag, sondern es sollte ein Hinweis gegeben werden, was sich heute „bezüglich metaphysisch gerichteter Literatur“ ereignet. „Nicht taxativ!“ so betonte Professor Mauer wieder-

Es wurde und wird in deutscher Sprache wohl selten etwas so Legeres, undogmatisch Witzi-

ges geschrieben wie hier. Dirnbeck verabfolgt seinem Leser Wechselbäder: von Tiefernstem stößt er ihn unter die kalte Dusche. Er ist witzig, aber nie zynisch. Von Monsignore Mauer, den er persönlich nur flüchtig und kurze Zeit gekannt hat, gibt er eine Beschreibung, die jeder, der dieser faszinierenden Persönlichkeit nahestand, nicht ohne Rührung lesen wird („Das Profil des Tonfalles“, in dem Dirnbeck unter anderem vermerkt, Mauer habe „die Rethorik der Endsilbe“ vollkommen beherrscht). Und in dem gleichen Nachruf, in dem er Mauer als den Monsignore par excellence bezeichnet, berichtet Dirnbeck auch eine Anekdote, über die man Tränen lachen kann, wenn man sich dazu Mauers Tonfall vorstellt. Aufgefordert, im Auditorium maximum über „Die Zukunft der Kirche“ zu sprechen, habe er — auf die Frage, was er dazu sagen werde, geantwortet: „Das hängt davon ab, wieviel Honorar ich bekomme, nicht wahr. Wenn Sie mir zweitausend Schilling zahlen, sage ich: ,Ja, selbstverständlich hat die Kirche Zukunft.' Bei tausend Schilling sage ich: .Möglicherweise, nicht wahr.' Und bei weniger als tausend Schilling sage ich: ,Die Kirche hat überhaupt keine Zukunft.'“

Das ist ebensowenig ernst zu nehmen und hintergründig, wie. die Titel von Dirnbecks eigenen Texten. Zum Beispiel: „Alle Wege verführen oder: Das Schweigen ist kein Rest.“ — „Gretchen kann das Fragen nicht lassen“. — (ein Selbst-Interview). „Maleficium Intellectus.“ „Wer sich selbst eine Grube gräbt, dem fallen andere hinein.“ Und so weiter und so fort. Der Leser wird neugierig gemacht — und seine Neugier wird auch befriedigt. Besseres kann man von einem Buch dieser Art kaum sagen.

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