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In der Moschee brauste der Beifallssturm auf

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Nicht nur das religiöse und kirchliche Geschehen der Gegenwart des Vorderen Orients, sondern auch das politische kann nicht verstanden und gedeutet werden, ohne die Geschichte der tragischen und weithin skandalösen Kreuzzugsereignisse zu kennen. Nicht die Patriarchenstreite von einst, sondern die Ungeheuerlichkeiten der „Lateiner“, die vor Beutegier, Abenteuerlust, Handelsgeist, irrendem religiösen Fanatismus, adeliger Herrschsucht und dynastischer Rivalität die Forderungen des Evangeliums vergaßen, haben bis zum heutigen Tag die Schuld an einer Abneigung vor den Weltchristen oder doch an der Ent-fremdung mancher Ostkirche gegenüber der römisch-katholischen Christenheit.

Gewiß hat die Zeit viel, aber noch nicht alles geheilt, vor allem noch nicht im griechisch-orthodoxen Bereich, den besonders bluttriefende Grausamkeit getroffen hatte. Papst Paul VI. und der weise Patriarch Athenago-ras I. haben mit ihrem Treffen in Jerusalem 1964 die beglückende geschichtliche Wende eingeleitet. Im gleichen Jähr gründete Kardinal Dr. Franz König in Wien die Stiftung „Pro Oriente“, die sich der Versöhnung, der Verständigung und dem Zusammenwirken mit den Christen der Ostkirchen hingibt, wie dies vom Wiener Boden aus oftmals besser und überzeugender gelingt als von anderen Orten.

So flog denn Kardinal König mit einer Delegation der Stiftung zu den Christen in Damaskus, der Stadt der Bekehrung des Saulus zum Paulus. Es war ein Gegenbesuch auf Einladung des syrisch-orthodoxen Patriarchen von Antiochia-Damaskus, Mar Ignatius Jakub III., der schon zweimal Gast des Kardinals in Wien gewesen war, wo die Diözese der rührigen syrisch-orthodoxen Glaubensgemeinde die alte Lainzer Pfarrkirche überlassen hat. Ihr Pfarrer Aidin-Aidin begleitete uns als wichtiger Dolmetscher.

Drei Erlebnisse will ich hervorheben.

Gleich bei dem ersten versagt mein Können: bei der Schilderung der Begeisterung, mit der die Christen Syriens den Besuch des Kardinals bedankten: Lautrufende Volksmassen in den Straßen von Damaskus und in einer nördlich der Hauptstadt hegenden Bergstadt, angefeuert von einer unbeschreiblich jubellauten, trompetentönenden und trommeldröhnenden Mädchen- und Burschenschar, und von nimmermüden säbelschwingen-

den, juchzenden Jungmännern schoben uns durch lange Straßen dahin.

Von Fenstern und Baikonen ergoß sich ein Hagel von verzuckerten Mandeln und gewickelten Zuckerln, vermischt mit einem Sprühregen orientalischer Wohlgerüche aus riesigen Par-fumflaschen. Aus vielen Haustoren traten Tassenträger auf uns zu, um Früchte, Wein, Barack, Whisky und Honigmehlspeisen anzubieten. Juchzende, jodlerähnliche Schreie nach vieltausendjährigem Brauch klangen auf.

Der Kardinal winkte zu den Parfum-verträuflem und Mandelwerfern, von freundlichen Duften und Rufen beschwingt, zu Fenstern und Baikonen hinauf, die mit Fahnen geschmückt und von grüßenden Spruchbändern über die Straße hinweg verbunden waren. Wir waren uns durchaus bewußt, welche schweren, ernsten Aufgaben zu bewältigen sein werden, um Christi Gebot zur Einheit zu entsprechen. Aber die syrischen Christen haben uns in diesen Tagen das Zeichen vorgelebt, an dem Christen zu erkennen sein sollen: „Seht, wie sie einander heben.“

Den zweiten frohen Eindruck schenkten uns die österreichischen Soldaten auf den Gblanhöhen. Es war nicht nur das in weiten Fernen viel tiefergreifende Erlebnis der österreichischen Zusammengehörigkeit, sondern auch die aus aller dienstlichen Nüchternheit herausfühlbare soldatische Bereitschaft für eine sinnhafte Aufgabe, die ganze Person einzusetzen. In großer Anzahl um den Kardinal geschart, feierten sie mit ihm das Meßopfer und nahmen den Leib Christi in weit größerer Zahl an, als dies Gleichaltrige in ihren heimatlichen Pfarren zu tun pflegen.

Für einen geschichtsempfindlichen und vorsehungsüberzeugten Christen aber war das dritte Ereignis der Damaskusreise von ganz besonders bewegender Kraft. Einem Höflichkeitsbesuch des Kardinals beim Groß-Mufti von Syrien, Shekh Ahmad Kaftaro, dem Oberhaupt des Islamischen Rates, folgte dessen Einladung der gesamten Delegation zu einem Frühstück, die er aussprach, als er der Einladung des syrisch-orthodoxen Patriarchen zu einem Empfang geistlicher und staatlicher Würdenträger zu Ehren des Kardinals gefolgt war. In überströmender orientalischer Gastfreundschaft floß hier wahrhaftig Milch und Honig und Unaufzählbares an Genüssen mehr. Schon hier war es bewegend, wie sich der oberste mohammedanische Koranlehrer seines

Landes als Gehbehinderter in den Arm des Kardinals einhängte, um dann des Abends seinen Gegenbesuch im Hotel zu machen.

Hier nun erfolgte die ganz unerwartete Einladung des Groß-Mufti an den Kardinal, am Freitag, dem islamischen Sonntag, in der neuerbauten Moschee zu den mohammedanischen Gläubigen zu sprechen. Auch dem Kardinal war recht ungewohnt zumute, als wir, nach Überlegungen über die Themen seiner Ansprache, den Wagen des Groß-Mufti bestiegen, der uns in die von ihm errichtete Stadtrandmoschee brachte. Ein Späher junger Männer gab uns die Ehre am Eingang des islamischen Gebetshauses. An seiner Schwelle zogen wir die Schuhe aus, die von „Spezialeinheiten“ in Verwahr genommen wurden. Tausende von Gläubigen bedeckten in orientalischem Sitz die durch die nahtlose Fülle verdeckten Teppiche des weiten Raumes. An der Stirnwand saß der Groß-Mufti an einem Tisch, um den wohl an die hundert Radiorekorder und sonstige Tonbandgeräte lagen. So sei es, versicherte man uns, jeden Freitag und an anderen Tagen der Woche, wenn der Groß-Mufti Koranstunde hält.

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