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Jetzt wirbt die SPD um die Grünen

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Das große Wundenlecken am Rhein hat begonnen. Für die SPD wird es jedoch zu keiner Phase der Schonzeit, während der sie sich verkriechen könnte. Zu ungeduldig drängen die Partei-„Enkel“, ihren Sieg inmitten der Niederlage in neue Weichenstellungen umzumünzen.

Längst hat diese Generation der politischen Aufsteiger den Absturz von Johannes Rau einkalkuliert und hinter den Wahlplakaten ihre Art von Wende vorbereitet. Ein offener Generationskonflikt wird dabei durch die Allianz zwischen dem Altmeister Willy Brandt und den Jung-Dynamikern um den saarländischen Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine geschickt kaschiert.

Brandt steht für sozialdemokratische Tradition — freilich für deren klassenkämpferischen Flügel;

Lafontaine verkörpert das Avancement der „68er“-Genera-tion in die Parteiführung. Die ideologischen Vorzeichen — klare Abkehr von einer bürgerlich gewordenen Sozialdemokratie ä la Helmut Schmidt hin zu einer Klassenkampf-Partei, die sich

den Grünen öffnet —, diese Vorzeichen hatte Brandt schon am Tag der SPD-Wahlniederlage von 1983 verkündet.

Der Parteivorsitzende, der 1988 aus Altersgründen aus dem Amt scheidet, hat sein Haus bestellt — besiegelt durch den nun endgültigen Verzicht von Johannes Rau auf das Erbe Brandts und zugleich durch den kämpferischen Auftritt von Brandts persönlichem Nachfolge-Favoriten, Oskar Lafontaine, in der Arena.

Die Meinungsunterschiede, die in den zurückliegenden 14 Monaten seit Raus Nominierung zum Herausforderer von Helmut Kohl unter dem Deckmantel der Wahlkampfsolidarität gehalten worden sind, machen sich nun offen Luft.

Im Amt des Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen will Johannes Rau künftig seine Hauptaufgabe sehen, aber sei-

nen Einfluß auf das Bonner Geschehen durchhalten, die Funktion als stellvertretender Parteivorsitzender bewahren.

Eine solche Strategie könnte denn auch der SPD — wenngleich sehr langfristig — aus ihrer Talsohle helfen. Denn ohne die Grünen ist für sie ebensowenig eine Regierungsmehrheit vorstellbar, wie es keine Unions-Herrschaft ohne die Liberalen geben kann.

Solange die SPD sich in dem nun eingeleiteten Diskussionsprozeß befindet, wird die Bundesfraktion die starke Parteisäule bilden. Ihr Vorsitzender, Hans Jochen-Vogel, ist vorerst unumstritten.

Und wie ungefährlich er für die Kämpfer um die neue Richtung ist, zeigt sich schon darin, daß Vogel sich zu der Frage der künftigen Strategie bisher nicht zu Wort gemeldet hat.

Aber sie weist Vogel den traurigen Nimbus zu, keine Antwort auf die Frage zu wissen, wie die Sozialdemokraten ihren Stimmenverlusten etwa in den großen Städten gegensteuern sollen, die zu spektakulären grünen Gewinnen geführt haben.

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