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Keine „Ehe auf Probe“ Das Experiment von Autun

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Seit Ostern 1973 läuft in der Diözese Autun (Frankreich) ein pastoraler Versuch, das „Ehe-Katechumenat“. Brautleute, die zwar getauft, faktisch aber religiös absent sind, sollen nicht mehr vor die Alternative gestellt werden, kirchlich oder staatlich zu heiraten, sondern auf ein rechtes Sakra- mentenverständnis vorbereitet werden.

Das geschieht so: Einem Brautpaar, das „in der Kirche“ heiraten will, wird bei der ersten Begegnung mit dem Priester eine Broschüre vorgelegt, in der drei Möglichkeiten aufgezeigt werden: Die staatliche Trauung, die „Aufnahme“ durch die Kirche (wenn das Paar standesamtlich getraut ist) oder das Sakrament der Ehe. Die Brautleute werden gebeten, darüber gemeinsam nachzudenken, um dann ihre Entscheidung zu treffen. Wenn das Paar aufgenommen werden will, muß es die Unauflöslichkeit der Ehe anerkennen, auch wenn das Zivilgesetz eine Scheidung zuläßt, und bereit sein, sich gemeinsam mit dem Priester darauf vorzubereiten.

Wie der Klerus von Lugny auf Grund seiner praktischen Erfahrungenerklärt, wird „besonderer Wertauf die Vertiefung des gemeinsamen Vorhabens der Ehe gelegt, in seiner Verwirklichung, seiner Beziehung zu den anderen, seiner Stellung zur Kirche und seiner Haltung bezüglich des Glaubens“.

Die Zeremonie in der Kirche spielt sich so ab, daß das Brautpaar eine öffentliche Erklärung über den Grund, warum es durch die Kirche aufgenommen zu werden wünscht, vor Eltern und Freunden ablegt. Meist erfolgt nach dieser Feier eine weiterführende Besinnung, durch die das Paar zu einem vertieften Glaubensverständnis und gleichzeitig zum Sakra- mentenempfang gelangen soll. Im Regelfall erstreckt sich die weitere Vorbereitung auf ein Jahr.

Gegen den Willen des Bischofs von Autun, le Bourgeois, und der zuständigen Priester wurde das Experiment zu früh von der Presse aufgegriffen. Es kam zu verzerrten Darstellungen, die Verwirrung stifteten. So wurde berichtet, die Kirche erteile ihren Segen nun auch der „Ehe auf Probe“. Dabei wurde übersehen, daß beim Ehekate- chumenat der Weg zur Trennung nicht mehr offen steht, noch viel weniger darf von „wilder Ehe“ oder „Konkubinat“ gesprochen werden. Um diese Mißverständnisse zu klären, gab die Kirche von Autun, Chälon und Maęon bereits im Dezember 1974 die Broschüre „Die Ehe - ein Experiment - Eine Besinnung in der Diözese Autun“ heraus.

Erstmals wurde nun auch in Österreich eine Untersuchung auf Anregung und Bemühen des Institutes für Ehe und Familie durchgeführt. Gutachten zuständiger Theologieprofessoren zeigten sehr divergierende Auffassungen. So würdigt Prof. Gastgeber die gute Absicht und das ehrliche Bemühen, eine Notlage zu bewältigen, wie sie bei religiös Fernstehenden gegeben ist. Für den gültigen Sakramen- tenempfang sei der personale Glaube unerläßlich; fehle er, so müßten Hilfen geboten werden, die ihn langsam entfalten, denn die Liebe Gottes werde menschliche Schuld überwinden, da ja der Christ auch auf Umwegen zum Ziel kommen kann.

Anders als der Pastoraltheologe beurteilt Prof. P. Raphael Schulte aus dogmatischer Sicht das Experiment. Er distanziert sich scharf davon, weil es sich hier im Grunde um ein Ehesa- kraments-Katechumenat handelt und die Entwicklung christlichen Bewußtseins in den Bereich der Jugenderziehung gehöre. Ungeklärt bleibt weiters der kirchenrechtliche Standpunkt.

Alles in allem darf wohl kein voreüi- ges Urteil pro oder contra gefällt werden. Die Zeit muß darüber entscheiden, ob es bei einem Experiment in einem französichen Dorf bleiben wird, odęr ob es für den gesamten kirchlichen Raum exemplarische Bedeutung gewinnen wird.

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