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Klausur der Belastungen
So rasch war das Finanzministerium noch nie. Was sonst nie vor März ausgerechnet ist, lag schon am 9. Jänner vor; einen Tag vor Beginn der Regierungsklausur im Seminarhotel am Sachsengang bei Wien: vorläufige Zahlen über die Höhe des Budgetdefizites im abgelaufenen Jahr. „Dank der Wirtschaftsbelebung in den letzten Monaten des alten Jahres, vor allem im Dezember“, so schrieb die „Arbeiter-Zeitung“, „wird das Budgetdefizit für 1975 mit 39 Milliarden Schilling geringer ausfallen als erwartet.“ Vor gut einem Jahr galt die Behauptung, das Budgetdefizit werde 20 Milliarden Schilling erreichen, als „Horror-Meldung“ — heute freut man sich in der Bundesregierung darüber, wenn die 40-Mil-liarden-Schilling-Grenze unterboten wird.
Doch auch diese Information aus dem Finanzministerium hat die Regierungsklausur nicht davor bewahrt, über neue Möglichkeiten der Finanzierung alter Schulden laut nachzudenken.
Alle Zweck-Schillinge, die besprochenen und die beschlossenen, sind für Aufgaben gedacht, die aus allgemeinen Budgetmitteln finanziert werden müßten. „Der eigentliche Zweck der Zwecksteuern“, hieß es in einer Erklärung der Bundeswirtschaftskammer zur Regierungsklausur, ist „die Defizit-Abdeckung und nicht die vorgegebene Zweck-Etikette ... Je mehr Steuer-Schilling, desto kleiner wird der Geld-Schilling“. Sicher ist nur, daß alle im Detail noch nicht ausdiskutierten neuen Belastungen über kurz oder lang die Inflation in Österreich nähren werden. In der Praxis bedeutet das einen weiteren Verlust der heimischen Wirtschaft auf den in- und ausländischen Märkten, steigende Importe und sinkende Exporte. Das Zahlungsbilanzdefizit muß zwangsläufig wieder steigen, die Schulden an das Ausland werden größer.
Finanzminister Androsch kennt dieses Dilemma. Er will das Instrumentarium der Exportfinanzierung verbessern, vor allem das Hafturtgs-risiko österreichischer Exporteure ein wenig abbauen. Die Binnenkonjunktur will er, wie er auf der Regie-rüngsklausur am Sachsengang erklärte, über Abschreibungsbegünstigungen für die Bauwirtschaft stimulieren. Dadurch sollen die Unternehmen veranlaßt werden, rasch Bauaufträge zu vergeben.
Einen Ausweg scheint die Bundesregierung in der Dynamisierung von Steuern zu sehen. Für die Bun-desmineralölsteuer wird diese Dynamisierung bald zur Realität werden. Wiederum spricht man von neuen Straßen, die damit finanziert werden sollen; obwohl schon im Vorjahr rund 10 Prozent der Einnahmen aus der für den Straßenbau zweckgebundenen Mineralölsteuer (7,6 Milliarden Schilling) für andere Zwecke abgezweigt wurden. Die geplante Dynamisierung der Mineralölsteuer hätte eine Dynamisierung des Benzinpreises zur Folge. Der Erdöl-Schock erklärt diese Vorhaben längst nicht mehr. Da in Österreich bald jeder zweite Haushalt ein Auto besitzt, ist diese Maßnahme sicherlich nicht dazu angetan, der Regierungspartei Freunde unter den Pkw-Besit-zern zu sichern.
Die Dynamisierung einzelner Steuern läuft auf eine Institutionalisierung der Inflation heraus. Ob das tatsächlich im Interesse von Regierung und Regierunspartei liegen kann?
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