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Kunst durch banale Bildchen ersetzt

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Am 12/13. März findet in Wien an der Hochschule für angewandte Kunst ein Otto Mauer-Symposion statt, bei dem auch zwei Bücher präsentiert werden: „Über Kunst und Künstler”, herausgegeben von Günter Rombold (Residenz-Verlag) mit Reden und Artikeln zu Grundfragen der Kunst und „Otto Mauer -Das geschundene Reich Gottes”, herausgegeben von Werner Reiss (Hora-Verlag) mit theologischen Reden. Im folgenden ein Abschnitt aus letzterem zum Thema „Die Kirche und die Kunst unserer Zeit”.

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Am 12/13. März findet in Wien an der Hochschule für angewandte Kunst ein Otto Mauer-Symposion statt, bei dem auch zwei Bücher präsentiert werden: „Über Kunst und Künstler”, herausgegeben von Günter Rombold (Residenz-Verlag) mit Reden und Artikeln zu Grundfragen der Kunst und „Otto Mauer -Das geschundene Reich Gottes”, herausgegeben von Werner Reiss (Hora-Verlag) mit theologischen Reden. Im folgenden ein Abschnitt aus letzterem zum Thema „Die Kirche und die Kunst unserer Zeit”.

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Was sind die Gründe dafür, daß eine Entfremdung eingetreten ist zwischen Kirche und Kunst? Die Gründe sind eine Weltfremdheit und Weltentfremdung und eine historische Rückständigkeit der Kirche, die sich bis auf den heutigen Tag hingezogen hat und deren man auf global-kirchlicher Ebene im II. Vatikanischen Konzil ansichtig geworden ist. Wenn man von der Welt kaum mehr etwas weiß und hinter der Welt nicht einmal mehr herhinkt, sondern sich mit Entrüstung von der Welt absetzt, wie soll es da geschehen, daß man mit der zeitgenössischen Kunst in Kontakt ist und mit ihr eine Art von Liebesverhältnis eingeht?

Eine Kirche, die sich ghettoisiert hat, eine Kirche, die keinen Kontakt mehr mit den Nichtkatholiken hat, die nichts mehr gewußt hat von der Kirche außerhalb der Kirche, konnte nicht daran denken, die Charismatiker außerhalb der Kirchen herzuziehen. Die meisten von den modernen Künstlern standen in den letzten Jahrzehnten außerhalb der Kirche. Jedenfalls infolge einer inneren Emigration. Man hätte entdecken müssen, was das II. Vatikanische Konzil entdeckt hat, daß es eine Kirche außerhalb der Kirche gibt. Man hätte Frucht ziehen können aus einer These, daß die helfende Gnade auch denen zuteil wird, die außerhalb der Kirche sind. Wieso können sie keine schönen Bilder malen und Kirchen konstruieren?

Eine traditionalistische Kirche, die in ihrer Theologie den schlechten Traditionen der Vergangenheit gehuldigt hat, wie etwa die Kirche Pius' X., wie zum Teil die Kirche des I. Vatikanums, diese Kirche konnte sich mit den rasanten Entwicklungen der modernen Kunst nicht befreunden. Eine Kirche, die einen falschen Weltbegriff besessen hat, den man einseitig aus paulinischen und johanneischen Äußerungen gezogen hat, eine Kirche, die der Dekadenztheologie gehuldigt hat - es wird immer schlechter! -, eine solche Kirche konnte selbstverständlich für die Freuden der Kunst, für die zeitgenössische Kunst nichts übrig haben und mußte dann eben „Verluste der Mitte” feststellen oder Defizite.

Die Irritation der Kirche durch das Scheitern der päpstlich-kaiserlichen Theokratie war so groß, daß man vergessen hat, sich mit der Gesellschaft neu zu verbinden, zuerst mit der bürgerlichen Gesellschaft, dann mit dem vierten, fünften Stand. Man hat den Staat, die Macht verloren, und man hat nicht verstanden, daß es entscheidend ist, mit der Welt in Kontakt zu bleiben.

Außerdem hat die Kirche eine Identifikation von Kunst mit religiöser Kunst vorgenommen, und die noch peinlichere Identifikation von religiöser Kunst mit Kirchenkunst, mit Sakralkunst.

Ein letztes, was ich noch erwähnen will: Die Kirche hat prominenten und christlich orientierten Künstlern der Moderne keine Aufträge gegeben. Das ist die fatalste Sache. Hätte sie Ce'zan-ne einen Kirchenauftrag gegeben, dann hätte man gesehen, daß zeitgenössische Kunst und Kirche durchaus vereinbar sind; hätte die katholische Kirche dem im letzten Jahr verstorbenen Herbert Boeckl Aufträge gegeben...

Gütersloh abgekratzt

Den durchtriebenen Kommunikanten, die in den Ordinariaten herumschleichen, denen ist es gelungen, Aufträge fiir Kirchenfenster zu bekommen, nicht aber Oskar Kokoschka! Wenige Ausnahmen bestätigen die fatale Regel. Es ist symptomatisch, daß die einzigen Dokumente von Kirchenkunst, die ein Albert Paris Gütersloh geschaffen hat - sie wurden in der Pfarrkirche von Mauer bei Wien aufgestellt! -, vom Pfarrer abgekratzt und durch banale Bildchen ersetzt wurden.

Wenn man den Künstlern der Zeit keine Aufträge gibt, kann nicht bewiesen werden, daß sie im sakralen Raum existieren und arbeiten können! Ich könnte auf die Kirche von Architektur Hochschulprofessor Dr. Ferdinand Schuster hinweisen, wo der einzige Kirchenauftrag von Bildhauer Rudolf Hoflehner realisiert worden ist, und zwar in der Kapfenberger Kirche Schirmitzbühel.

Die ganz harmlosen Fresken von Max Weiler in Innsbruck wurden verhängt, weil es ein Tiroler ist, der mit Stutzen und Gamsbart Jesus den Herzstich mit der Lanze versetzt. Die Tiroler, die mit dem Herzen Jesu so gut stehen, konnten das nicht vertragen...

Vortrag im Katholischen Bildungswerk Graz, 6. 12. 1966.

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