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Kunst und Kirche

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Jesus ist vermählt. So wissen wir jetzt. Er hat sich eine solche Hochzeit nicht verdient. Aus „Blasphemie” und „Lobpreis Gottes” wurde ein „Allego-riecal”. Aus „Jesu Hochzeit” wurde „Jesu Polterabend”. So die Zeitungen.

Folgt auf Jesu Hochzeit nun Jesu Scheidung?

Seit über 900 Jahren singt die Kirche in der Ostersequenz: „Tod und Leben rangen 'unbegreiflichen Zweikampf.” Mancher fragt, ob dieser Text in Zukunft so gesungen wird: „Kunst und Kirche ringen seltsamen Zweikampf?”

Folgt auf Jesu Hochzeit nun Jesu Scheidung? Haben Kunst und Kirche zwareinelangegemeinsame Geschichte, aber keine gemeinsame Zukunft? Ist um der Freiheit der Kunst und um der Reinheit des Glaubens willen eine Trennung erwünscht, ja notwendig?

Es wäre verhängnisvoll - verhängnisvoll für die Kunst, verhängnisvoll für die Kirche.

Das Konzilsdekret „Kirche und Welt” stellt nüchtern fest: „Wiewohl die Kirche zum kulturellen Fortschritt viel beigetragen hat, so steht doch durch Erfahrung fest, daß ein friedliches Verhältnis von Kultur und Christentum ... sich nicht immer ohne Schwierigkeiten einstellt” (62). In den besten Freundschaften und in den glücklichsten Ehen stellt sich ein friedliches Verhältnis nicht immer ohne Schwierigkeiten ein.

Es dürfte zu den Vorurteilen gehören, Kunst mit den Kategorien des Ästhetischen bestimmen zu wollen. Zu schnell wird aus der Ästhetik Verhüb-schung und Gefälligkeit. Auch die Kategorie des Ethischen scheint nicht auszureichen, der Kunst gerecht zu werden. Zu oft wird aus der Ethik, die man glaubt, fordern zu müssen, Zensur und Bücherverbrennung. Zu häufig wird Ethik genannt, was die Moral einer Minderheit und nicht die Seinsverwirklichung des Menschen fordert.

Kunst ist eine menschliche Sache. Sie hat mit dem Menschen zu tun. Sie ist damit durch alle Existentialien des Menschen bestimmt: Endlichkeit, Bedrohtheit, Sündigkeit, Zweideutigkeit, Offenheit in das Unberechenbare, Erlösungsbedürftigkeit und Erlöstheit, wie Karl Rahner einmal feststellt.

Ob es einen freut oder nicht - so ist menschliches Leben. So ist auch Kunst. Sie kann damit Künder, Verdeutlicher der Botschaft der Kirche sein, die nicht aufhört, die Würde jedes Menschen zu verkünden, die oft Selbstverfehlung nennen muß, was andere als Selbstverwirklichung anpreisen, die von Sünde und Gericht und damit von Freiheit und

Verantwortung spricht, die den Menschen nicht in Ruhe läßt, damit er nicht den Mond gewinnt, aber seine Seele verliert, und die nicht müde wird, den Menschen an den zu erinnern, der größer ist als der Mensch und größer als alle Schuld und alle Hoffnung des Menschen ist.

Die Kunst wird damit aber auch zur Anfrage, ob die Kirche tut, was sie glaubt, ob sie hinter ihrem eigenen Anspruch zurückbleibt, ob es um den Lobpreis Gottes oder die Ehre einiger geht, ob die Fragen der Kirche auch die Fragen der Menschen sind und ob tatsächlich „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi sind”, wie die Bischöfe am Beginn der Pastoralkonstitution „Kirche und Welt” erklärt haben.

Kunst ist nicht das Mündel der Kirche. Will Kunst aber nicht Ersatz- oder Gegenreligion sein, muß sie sich einigen Fragen stellen: Verweigert sie sich dem Ganz-Anderen? Oder ist sie dafür unempfindlich? Seiner unfähig? Ist sie mehrdeutig, offen in das Unberechenbare? Oder ist sie eindimensional?

Reduziert die Kunst - einer Epoche, nicht das Einzelkunstwerk - den Menschen auf Endlichkeit, Sündigkeit? Mißbraucht es die Erlösungsbedürftigkeit, um modisch und gefällig, immer aber geschäftstüchtig das Heilige zu vermarkten? Besteht ihre Erfahrung der Erlöstheit in der Leugnung der Realität? Was hält die Kunst vom Menschen? Wofür hält sie ihn?

Es wäre verhängnisvoll für Kunst und Kirche, wollten sie um der Freiheit der Kunst und um der Reinheit des Glaubens willen Scheidung von Tisch und Bett. Der Kunst fehlte eine Herausforderung, die ihr sonst niemand geben kann. Dem Glauben fehlte ein Begleiter, der ihm wie kaum jemand anderer „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute” aufzeigt.

Die Scheidung von Kultur und Glaube, von Kunst und Kirche wäre verhängnisvoll für den Menschen. Er bekäme eine kulturlose Kirche und eine kulturunfähigeZivilisation.SeinGlaube würde sich vom Leben distanzieren, und sein Leben würde sich dem ganz-anderen Gott verschließen. Trotz allen Reichtums wäre der Mensch ein unbe-hauster Mensch.

Diese Ansprache hielt der bekannte „Fernsehpfarrer” anläßlich eines Empfangs zum „14. Welttag der Mittel der sozialen Kommunikation” bei Kardinal König im Wiener Erzbischöflichen Palais.

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