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Leier und Schwert

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Von allen Sterblichen hat ein linksstehender Fürst am besten für seinen Nachruhm gesorgt. Die Monarchisten werden ihn loben, weil er ja einem Herrscherhaus angehört; die Revolutionäre werden ihn loben, weil er ja so ganz anders war als jene Fürstlichkeiten, auf die man dabei mit verstohlenem Spott hinweist. Kein Wunder, daß Prinz Louis Ferdinand von Preußen ein „preußischer Halbgott“ wurde, wie es sein gegenwärtiger Biograph ausdrückt.

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Von allen Sterblichen hat ein linksstehender Fürst am besten für seinen Nachruhm gesorgt. Die Monarchisten werden ihn loben, weil er ja einem Herrscherhaus angehört; die Revolutionäre werden ihn loben, weil er ja so ganz anders war als jene Fürstlichkeiten, auf die man dabei mit verstohlenem Spott hinweist. Kein Wunder, daß Prinz Louis Ferdinand von Preußen ein „preußischer Halbgott“ wurde, wie es sein gegenwärtiger Biograph ausdrückt.

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Dieses Buch dürfte wohl zahlreiche Leser finden — denn es wird den verschiedensten Lesern Freude machen. Freunde preußischer Tradition werden sich freuen, über den Gefallenen von Saalfeld ein Buch zu haben, welches erhebliche Vorzüge zieren: eine gründliche Dokumentation, eine reichliche Bibliographie, schöne — zeitgenössische! — Illustrationen, ein hochinteressanter Anhang der „Gedichte auf Prinz Louis Ferdinand“, eine Zusammenstellung über „das musikalische Werk“.

Jenes bundesdeutsche Lesepubli-kum dagegen, welches dem Nachholbedarf an revolutionärer Auflehnung frönt, wird seine Freude haben an all dem Häßlichen, das hier über das alte Preußen erzählt wird. Es geht dabei teils um Mißstände, welche — der Autor sagt es selbst! — mit dem Prinzen Louis Ferdinand durchaus gar nichts zu tun haben; sie werden also wohl nur erzählt, um den Autor eben als „linksgerichtet“ auszuweisen. (Was ja in Deutschland heute notwendig ist.)

Den österreichischen Leser wird gelegentlich Schadenfreude übermannen bei der Schilderung von Dingen, welche in der k. u. k. Monarchie denn doch anders beschaffen waren. Da wäre zu nennen: erstens natürlich der Kontrast zwischen Österreichs Wacht am Rhein und Preußens Appeasement im Frieden von Basel (und da dachte Prinz Louis Ferdinand wie ein getreuer Deutscher!), dann das Verhältnis zwischen Mannschaft und Offiziere«, Schließlich, im Kreise militärischer und höfischer Intrigen, jene Virulenz, deren sogar ein unverträglicher Österreicher nun einmal unfähig ist, und endlich das lüderliche Leben im Herrscherhause, wovon der dargestellte Prinz selbst wirklich unschöne Proben gegeben hat.

Der Freund der Kulturgeschichte wird hier Interessantes finden und der endesgefertigte Rezensent freut sich, hier zu lernen, was er nicht wußte — daß nämlich der Prinz von einem Hengst heruntergehauen wurde, den er vom künftigen Feldmarschall Schwarzenberg gekauft hatte.

Gibt es wohl auch Leute, die bei Kiessmanns Buch mißvergnügt sein werden? Nun ja. Wenn der Autor (Seite 20) erklärt: „Alle folgenden Zitate sind dem heutigen Sprachgebrauch angeglichen“ (also nicht etwa bloß der heutigen Orthographie), so wird der Historiker über eine solche Methode den Kopf schütteln. Aber auch der Durchschnittsleser wird gereizt sein, wenn man ihm ein allzu, na ja, egalitäres Bildungsniveau zutraut und hinter das Wort „Negoziation“ in Klammern „Verhandlung“ setzen zu müssen glaubt. Man hat ja überhaupt den Eindruck, daß Kiessmann seinen Leser nicht eben mit outriertem Respekt betrachtet. Da behandelt er etwa (Seite 272) die betreffende Literatur, und wir glauben es ihm mühelos, daß ihm borussische Panegyrik im Gartenlaubenstil mißfällt. Aber wenn er da von „nationalistischem Mief“ spricht, wagen wir zu erinnern, daß etwa ein Lessing auch ein Fortschrittsmann war, der Finsterlinge wie Goeze mitleidlos kritisierte; nur — solcher Ausdrücke entblödete man sich damals. Endlich meinen wir, daß der Wert des Bildverzeichnisses dadurch gestiegen wäre, wenn gleich in demselben die vom Prinzen jeweils getragenen Uniformen angegeben wären.....muri ,r„„.

Bei all dem bleiben ;wir dabei;, daß dieses inhaltsreiche Buch über die furchtlose „Gestalt einer Zeitenwende“, einer faszinierenden Epoche alle Aussicht auf einen weiten Leserkreis hat.

PRINZ LOUIS FERDINAND VON PREUSSEN, 1772 bis 1806. Gestalt einer Zeitwende. Von Eckart Kiessmann. List-Verlag, München. 327 Seiten, 16 Bildtafeln.

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