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Magie hat Konjunktur

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Immer wieder hört oder liest man von „praktizierenden“ Hexen, allein in der Bundesrepublik sollen es über hundert sein, von Gurus, die überall ihre „Zentren“ haben, und denen junge Leute in Scharen zulaufen, von Wunderheilungen und magischen Praktiken bis zum löffelbiegenden Url Geller. Von großen Propheten bis zu kleinen Scharlatanen zieht sich eine ununterbrochene Kette bis tief in den dunklen Bereich vorhistorischen Bewußtseins der Menschheit, vom großen Theophra-stus Bombastus Paracelsus von Hohenheim bis zum Leibarzt und Berater Mi Amins, der sich von der westlichen Medizin, die er studierte, abgewandt hat und wieder die vorzeitlichen Praktiken seiner Heimat betreibt

„Magie“ — das ist ein weites Feld und ein Sammelbegriff für vieles, das jenseits unserer Schulweisheit, physikalisch-chemischer Forschung, psychologischer und medizinischer Nadhprüfbarkeit, liegt. Kurt Benesch hat darüber ein überaus fesselndes Buch geschrieben, nachdem er sich durch eline kleine Bibliothek mit einschlägigem Material durchgearbeitet halt Aber er gibt nur etwa 50 Werke an, hat sein Büch mit 70 Anmerkungen versehen und durch ein Kurzlexikon ergänzt. Was aber das wichtigste ist: er will den Leser nicht zur Magie bekehren, nimmt aber parapsyaholagisohe Probleme keineswegs auf die leichte Schulter, zwingt einem nicht seine Meinung auf — sondern referiert sachlich, wenn auch über die unwahrscheinlichsten Phänomene.

Was soll man etwa dazu sagen, wenn Roger Bacon, um 1215 in England, der Heimat der Gespenster, geboren, der über eine umfangreiche Bibliothek von Geheimbüchern verfügte, voraussagt — aber keineswegs als Techniker und Utopist —, daß es sehr schnelle Fahrzeuge ohne Tiere geben werde, Flugmaschinen und Schiffe ohne Ruder, mit denen man gefahrlos auch auf den Grund des Meeres tauchen können werde, und vieles andere mehr, das er als ^Visionär“ erschaute?

„Der Magier auf dem Kaiserthron“ — das ist zwar eine etwas vereinfachende Charakterisierung Friedrichs II. von Hohenstaufen, der, von arabischen Gelehrten umgeben, seinen ungeheuren Wissensdurst und seine universelle Bildung auch auf das Gebiet der Natur- und Geheimwissenschaften ausdehnte. Aber es beleuchtet die dämonische Seite dieses Herrschers, der eine der größten Gestallten des europäischen Mittelalters war. Natürlich geht es auch um die Verwandlung der Materie, einen uralten Menschheitstraum, besonders die Goidmacherei, die aber nicht nur von Rudolf II. protegiert wurde (das Goldmacher-gaßchen auf dem Hradschin bezeugt es noch heute), sondern auch von so aufgeklärten Monarchen wie Ludwig XIV. und Friedrich II. von Preußen geduldet wurde. Eine zentrale Gestalt ist Emanuel Swedenborg, 1688 bis 1772, unter Karl XII. von Schweden Bergwerkassessor, der nicht nur den Brand von Stockholm voraussagte, sondern auch Christus-visionen hatte. Und hier befinden wir uns in einem der interessantesten und unheimlichsten Kapitel der „Magie“: der Hellseherei und der Synchronizität.

Ein besonderes Kapitel bildet die Psychoanalyse. Freud, als Rationalist Feind jeder Metaphysik, wurde selbst, Prototyp des „Propheten“, zum Begründer einer neuen „Religion“, zum Hohepriester eines pervertierten Christentums: mit Beichte ohne Reue, Dämonologie ohne Dämonen und dem Analytiker als Priester. Damit rückte die Magie aus dem Dämmer der Alchimistenküche und der verdunkelten Salons ins helle Licht der Laboratorien. — In Stuttgart gab es einen Kongreß über Magie und Wunder in der Heilkunde. Doch wird das Geheimnis nie aufzuklären sein. Überdies, so argumentieren die Magie-Gläubigen, sind Wir vor kurzem, etwa in den sechziger Jahren, ins Zeichen des Wassermanns eingetreten, und was uns allein in diesem letzten Jahrzehnt beschert wurde, kann nur als besorgniserregend bezeichnet werden.

MAGIE — AUF DEN SPUREN DES UNBEKANNTEN. Von Kurt Benesch. Verlag Kremayr & Sche-rxau, Wien, 288 Seiten, S 180.—.

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