6861344-1977_38_05.jpg
Digital In Arbeit

Manche sparen beim Nachwuchs statt beim vierrädrigen Freund

Werbung
Werbung
Werbung

Ölschock, Energiekrise, Zahlungsbilanzdefizit, Umweltverschmutzung, Luxussteuer auf Autos und die Demonstration aufgebrachter Unternehmer haben zumindest ein Grundproblem gemeinsam: Das Auto, die heilige Kuh der zivilisierten Welt, steht zur Diskussion. Allen wesentlichen politischen Kräften in unserem Lande ist dabei klar, daß dem Auto - einst wichtigstes Symbol der freien Gesellschaft - auf der Prioritätenliste der Konsumgüter ein neuer Stellenwert zugewiesen werden muß. Das Auto soll zurücktreten ist der allgemeine Wunsch.

In der Realisierung dieses Wunsches gehen die Meinungen - wie so oft - aber beträchtlich auseinander: In seinem umstrittenen Abgabenänderungsgesetz will der Finanzminister die steuerlichen Begünstigungen für Auto-Anschaffungen durch Wirtschaftstreibende nahezu völlig liquidieren. Auch der Vorschlag des Nationalbank-Generals Heinz Kienzl, das Auto als Luxusgut einfach mit 30 Prozent (als ob 18 Prozent Mehrwertsteuer nicht schon genug wären?) zu besteuern, läßt an Radikalität kaum zu wünschen übrig.

Soziologische Untersuchungen haben indessen ergeben, daß es sich beim Auto um ein verhaltenspsychologisches Phänomen handelt, das durch wirtschaftstheoretische Gesetzmäßigkeiten nicht im mindesten zu erklären ist. Gilt etwa in der Theorie, daß ein Gut wie das Auto dann weniger verlangt wird, wenn der Preis steigt, so läßt sich diese Theorie in der Praxis nicht im geringsten belegen. Bei Autopreiserhöhungen ist stets nach einem kurzen Ubergangsschock mit einem völlig unelastischen Nachfrageverhalten zu rechnen - zudem Werden die kurzfristigen Nachfragerückgänge durch Preiserhöhungen am Automarkt regelmäßig durch vorangehende Massenkäufe überkompensiert.

Unter Soziologen und Meinungsforschern besteht heute kein Zweifel mehr darüber, daß es im wesentlichen nur zwei Determinanten für das Prestige vieler Menschen gibt: Die berufliche Position und das Konsumverhalten.

Daß das Auto - als Fortbewegungsmittel und nicht als Prestigesymbol - seinen Platz unter den Konsumgütern haben muß, sollte unbestritten sein. Fraglich ist nur, ob es noch länger zu verantworten ist, daß die Gebrauchsdauer von Autos im Durchschnitt nur wenige Jahre beträgt, daß viele Autos nur deshalb auf den Gebrauchtwagenmarkt verschoben werden, weil wieder ein schnittigeres, prestigeträchtigeres Modell herausgekommėn ist. Interessant ist übrigens in diesem Zusammenhang, daß es praktisch für kein Konsinngut einen ähnlich ausgeprägten Gebrauchtmarkt gibt wie beim Auto (Anzüge oder Schuhe werden in der Regel nicht weiterverkauft, sondern getragen, bis sie nichts mehr wert sind!).

Zum Thema „Konsumverhalten bei Pkw“ ist übrigens vor wenigen Monaten im Institut für Allgemeine Soziologie und Wirtschaftssoziologie an der Wiener Wirtschaftsuniversität (Vor- stand Univ.-Prof. Dr. Anton Burghardt) eine Untersuchung von Helmut Leuker erschienen, die, in einem zweiteiligen Verfahren (tiefenpsychologische Pilot-study, anschließend eine 2000 Befragte umfassende Feldstudie) abgewickelt, bemerkenswerte Resultate zutage förderte:

• Bemerkenswert an der Konstanz der Autokaufabsichten ist die Unabhängigkeit von inflatorischen Phänomenen wie von der subjektiv eingeschätzten sozioökonomischen Lage. Daraus schließt der Autor der Studie, daß es für den Wunsch, ein Auto zu kaufen, offensichtlich „Prädispositionen“ gibt, die von der wirtschaftlichen Seite relativ unabhängig sind.

• Beim Autokonsum rücken soziale Motive - etwa Neigung zu einem Prestige- und Demonstrativkonsum - in den Vordergrund. Dies gehe so weit, daß bei der Ausgabenplanung eher bei der Kinderzahl eine „Korrektur“ gemachtwerde als bei den Vorstellungen hinsichtlich des Autos: „Daher kann angenommen werden, daß das Ausgabeverhalten für Autos stärker die Zahl der Kinder determiniert als umgekehrt.“

• Bemerkenswert ist auch ein Phänomen, das der Autor „symbolische Sättigung“ nennt: Er meint damit, daß - altersspezifisch unterschiedlich - mehr Autos vorhanden sind, als von den Befragten für einen „kompletten Haushalt“ als erforderlich betrachtet wird. Bei den jüngeren Versuchspersonen (bis 34 Jahre) besitzen 81 Prozent in ihrem Haushalt ein Auto; aber nur 63 Prozent erachten das Auto als Bestandteil eines kompletten Haushaltes.

• Dem Aussehen des Autos wird beim Ankauf eine relativ große Bedeutung beigemessen. Von 21 angeführten Gebrauchsgütern spielt das Aussehen nur bei Einbauküchen und Spannteppichen eine größere Rolle.

Aus den Resultaten dieser Studie kann vermutlich der Schluß gezogen werden, daß die seitens der Regierung bisher ins Auge gefaßten steuerlichen Maßnahmen kaum den Hauptzweck der Misere erfüllen würden: Auf Steuererhöhungen bei Autos würde der Käufer kaum elastisch reagieren, womit zwar ein Loch im Budget gestopft, jenes in der Zahlungsbilanz aber noch größer würde.

Was bisher weithin vermißt wird, sind Anreize, das Auto zu einem langlebigen Konsumgut zu machen. Etwa durch Verlängerung der Abschreibzeit von fünf auf acht Jahre, durch Senkung der Kfz-Steuer nach einer bestimmten Zulassungsdauer, Befreiung der Autoreparaturen von der Mehrwertsteuer oder auch Attrakti- vierung der öffentlichen Verkehrsmittel. Von all dem ist bislang aber nicht viel zu bemerken.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung