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Meer? Nein danke.

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Was wir nicht haben, ist das Meer. Lang haben wir das als Jammer empfunden. Wo doch die in Triest sowieso ständig mit den Franz- Joseph-Bildern herummarschieren, voll von Österreich-Nostalgie, war's doch vielleicht... möglich?

Aber langsam erkennen wir, wie wenig attraktiv es ist, heutzutage, ein Land statt nur am Strom auch eins an der See zu sein. Man handelt sich lediglich Zores ein.

Bitte, zwar sind die Notizen über die letzten Ölpesten nur noch als

Kleingedrucktes in den Zeitungen zu finden (es ist das derselbe Effekt wie bei Versicherungsverträgen und erfüllt eine Alibifunktion: niemand liest's, aber genauso kann niemand sagen, es sei verschwiegen worden). Doch als Land mit Strand müßte man denselben ja doch irgendwie sauberhalten. Die leidigen Tierka- daver, öl verschmiert und unattrak- tiv, würden womöglich Kompetenz- verwirrungen hervorrufen: Land- wirtschaftsministerium? Umwelt? Gesundheit? Verkehr? Sport?

Und das gute Öl wär's nicht al- lein. Man denke an die Algen. Man denke also an die vielen Süßwas- ser-Schwimmbecken und Erlebnis- welten, die man am Strandrand errichten müßte, um dem erwarte- ten Badevergnügen der Touristen Entsprechung zu bieten.

Herr Lichal hätte auch noch die Marinedienstpflicht am Hals, das Unterrichtsministerium wäre mit der Frage konfrontiert, ob die Schrammein in Hafenspelunken aufspielen sollen, und der Moik müßte schwimmen lernen. Die Rechtschreibkommission müßte sich langsam darüber klar werden, ob man bei der drohenden Ortho- graphiereform Meer, Mär und mehr noch unterscheiden können sollte (politische Forderungen nach „mer mer “ könnten bei Gleichschreibung von den Volksvertretern als Wunsch nach noch mehr Unehrlichkeit mißverstanden werden).

Ein Kapitänspatentamt müßte errichtet werden, das der erweiter- ten DDSG, Abteilung Mittelmeer, über Anforderung Spitzelakte über ehemalige Galeerensträflinge und sonstige Seeleute zu liefern hätte, sofern nicht die Strompolizei diese Arbeit übernimmt. Ferner gälte es Volksbegehren einzuleiten, die gegen Fremuths sofort gefaßte Plä- ne für Flut- und Ebbe-Staustufen wirksam werden könnten, Strand- anteilscheine könnten Ärgstes ver- hüten. Die zugesperrten Salinen Halleins würden beispielhaft für die Nichtgewinnung austriakischen Meersalzes stehen, monopolitisches Gedankengut käme ins Wanken.

Schließlich würde mit der An- zahl der Bundesländer, denn eins käme mindestens dazu, auch die Anzahl der Landeshauptleute stei-

gen. Und da könnte es passieren, daß dann einer dabei ist, der zum Beispiel die attraktiven und lesba- ren Hundertwasser-Autonummern als Bootskennzeichen nicht nur lautstark fordert, sondern sie mann- haft gegen sture Weißstreicher tat- sächlich durchzusetzen verstünde.

Wie man sieht, käme mit dem Zipferl Meer nur Unordnung ins stattlich durchorganisierte Staats- gefüge, altvertraute Süppchen würden versalzen, Brandungen stif- teten nie gekannte Unruhe, wo wäre der Fels, der dem standhielte. Seien wir also froh, daß wir ein Binnen- land sind und bleiben. Das Schlimmste nämlich, daß einer unserer Politiker, man denke etwa an Herrn K., keine Ausrede mehr hätte und Demosthenes gleich an den Gestaden der Adria sprechen lernte, bleibt uns so auch erspart.

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