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Mehr als nur ein Glückwunsch!

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Eine der Schlüsselfiguren des katholischen Polen, der gebürtige Wilnaer Stanislaw Stomma, seinerzeit Sejm-Abgeordneter der Gruppe „Znak” (Zeichen), wird am 18. Jänner 85. Seit dem Weltkongreß der katholischen Presse 1957 in Wien verbindet ihn mit Österreich und mit der FURCHE eine enge Freundschaft.

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Eine der Schlüsselfiguren des katholischen Polen, der gebürtige Wilnaer Stanislaw Stomma, seinerzeit Sejm-Abgeordneter der Gruppe „Znak” (Zeichen), wird am 18. Jänner 85. Seit dem Weltkongreß der katholischen Presse 1957 in Wien verbindet ihn mit Österreich und mit der FURCHE eine enge Freundschaft.

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Wie rasch vergehen fünf Jahre! Vor allem dann, wenn man schon selbst -wie man bei uns so schön sagt - „in die Jahre gekommen ist”. Als ich vor fünf Jahren hier in der FURCHE Deines 80. Geburtstages gedachte, warst Du noch ein Bürger der „Volksrepublik Polen” - ein alles andere als gefügiger und schweigender allerdings. Gemeinsam mit anderen Freunden nütztest Du den im „Oktoberfrühling 1956” erkämpften und seither mehrmals eingeengten Spielraum, um als „Gruppe Znak” im Sejm Anliegen der Kirche, die zugleich Anliegen einer um bürgerliche Freiheiten ringenden polnischen Gesellschaft waren, zu vertreten. Nicht selten scheel beäugt von den „bien pensants” (Georges Bernanos), jenen sogenannten „Gutgesinnten”, die ein Wirken aus eigener Verantwortung ohne kirchliches Leitseil nicht wagen wollten. Deine „Sternstunde” kam, als Du als einziger gegen die Zumutung stimmtest, die „unlösbare Verbundenheit mit der Sowjetunion” in die polnische Verfassung aufzunehmen. Damals und dadurch wurde Dein Name international bekannt.

Seit jenem Tag ist viel geschehen. Die „Solidarnosc” kanalisierte alles, was sich in Deinem Land gegen ein aufgezwungenes Regime stemmte. Im Herbst 1989 löste sich schließlich die „Volksmacht ohne Volk” praktisch von heute auf morgen auf. Dir selbst wurde die Genugtuung zuteil, als Alterspräsident den ersten freigewählten Sejm in Polen nach 1945 eröffnen zu können. Bei dieser Gelegenheit war es Deinen zahlreichen Freunden in und außerhalb Polens gestattet, Überlegungen anzustellen, welche hervorragende Rolle im demokratischen Polen Dir zugekommen wäre, wenn diese Stunde - sagen wir zwanzig Jahre - früher geschlagen hätte. So forderte das Alter seinen Tribut. Eine Periode konntest Du im neuen Polen noch als Senator öffentlich wirken, dann erfolgte der Rückzug von allen Ämtern. Damit war freilich nicht verbunden, daß Du Dir auch weiterhin Gedanken über den Wee Deines

Landes in die Zukunft machtest und diese Gedanken nicht für Dich behieltst.

Ich kann mir wohl vorstellen, daß das was heute die polnische Wirklichkeit prägt, nicht Deinen und Deiner Freunde Erwartungen entspricht. Die Wiederkehr des „Liberum Veto”, jenes alten Lasters, das schon zum Untergang der polnischen Adelsrepublik geführt hatte, feierte und feiert in der Gruppen- und Grüppchenbil-dung, in der ständigen Fraktionierung der an sich schon allzu zahlreichen politischen Parteienlandschaft, neue Urständ. Und das vor dem Hintergrund eines zunehmenden politischen

Desinteresses und der Verelendung breiter Massen, nicht zuletzt auch der Intelligenz. An dieser ist anscheinend in der neuen Gesellschaft wenig Bedarf. Gewiegte Taktiker der Macht und gerissene Geschäftemacher sind die Herren der Stunde. Auch die polnische Kirche beziehungsweise manche ihrer Exponenten, zeigten sich nicht auf der Höhe der Zeit. Schon macht das böse Wort die Runde im Volk „Wir sind nicht die roten Kommissare los geworden, um sie durch schwarze zu ersetzen”. Eine Verstrik-kung in die Tagespolitik scheint zu drohen.

Du kennst sicher das Wort „der eine sät, der andere erntet”. Was heute in Polen aufgegangen ist, entspricht jedoch kaum jener Saat, die Du gemeinsam mit anderen Freunden gesät hattest. Laß Dir darob aber Deinen Lebensabend nicht verdrießen. Es gibt da und dort sicher auch manche Lichtstreifen am Horizont, manche Persönlichkeiten, denen zu wünschen ist, daß sie die polnische Zukunft mitprägen werden.

Wie rasch vergehen fünf Jahre schrieb ich zum Eingang dieser Überlegungen aus Anlaß Deines 85. Geburtstages. Wie rasch sind schließlich auch jene Jahre und Jahrzehnte vergangen, seitdem wir uns im Herbst 1957 auf dem Weltkongreß der katholischen Presse in Wien zum ersten Mal begegneten und unsere Freundschaft begründet wurde. Eine Freundschaft, die auch die FURCHE seither mit dem „Tygodnik Po wszechny” und dessen Redaktion verband. Diese Verbundenheit besteht bis heute. Sie möge über die Generationen hinweg als Gesinnungsgemeinschaft von Menschen, welche für eine „freie Kirche in einem freien Staat” wirken wollen, bleiben und dauern.

In diesem Sinne entbiete ich Dir persönlich und gleichzeitig als Dolmetsch aller österreichischen Freunde die allerherzlichsten Wünsche.

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