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Mehr Fakten, weniger Bibel

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Mit diesem Beitrag können sich sicher viele FURCHE-Leser nicht identifizieren. Wir auch nicht. Aber er gibt zweifellos keine Einzelmeinung wieder, deshalb muß man sich damit auseinandersetzen. Wer übermittelt uns als erster dazu eine Stellungnahme?

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Mit diesem Beitrag können sich sicher viele FURCHE-Leser nicht identifizieren. Wir auch nicht. Aber er gibt zweifellos keine Einzelmeinung wieder, deshalb muß man sich damit auseinandersetzen. Wer übermittelt uns als erster dazu eine Stellungnahme?

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Ich bin auf jeden Fall dafür, daß der Religionsunterricht nicht den mani-pulativen Charakter behält, den er großteils bis jetzt hatte, sondern, daß er weitgehend objektiver wird. Einen nicht unwichtigen Bestandteil sollte auch die Philosophie darstellen, die nicht unwesentlich mit der Religion verbunden ist.

Doch der Religionsunterricht in seiner heutigen Form verfehlt sein Ziel.

Zum Beispiel:' Ein Schüler, mäßig intelligent, aber nicht uninteressiert, kommt auf den Gedanken, sich zu überlegen, warum er eigentlich römisch-katholisch getauft und daher Christ ist. Was wäre anders, wäre er seinerseits orthodox oder evangelisch getauft worden? Er würde trotzdem jeden Sonntag in die Kirche gehen (- eben in eine andere, aber das ist ja egal -), sich regelmäßig fadisie-ren, aber das natürlich nie sagen, denn „so etwas sagt man ja nicht“. Er würde den Religionsunterricht besuchen und in den Stunden genauso Hausübungen abschreiben.

Kurz und gut: nichts würde sich ändern. Und angenommen dieser philosophierende Schüler entdeckt nach diesen Nachforschungen, daß es für ihn doch besser wäre, dem Religionsunterricht auf Grund dieser Erkenntnis fernzubleiben, und er tut das dann auch. Dann passiert folgendes: Großmütter, Tanten und ähnliche „gläubige“ Verwandte und Bekannte wären geschockt, enttäuscht und würden die finanziellen und sonstigen „Aufmerksamkeiten“ streichen oder zumindest kürzen. „Damit das Kind wieder auf den richtigen Weg zurückfindet...“ oder so. Was tut nun der verwirrte und frustrierte Schüler, der bis dahin naiverweise an das geglaubt hatte, was man allgemein „Schülermitbestimmung“ nennt?

Er zieht den logischen Schluß: Wer heuchelt ist ein braver Christ und ein guter Mensch - und schreibt weiterhin Hausübungen im Religionsunterricht ab. Und plötzlich ist die Welt der Erwachsenen wieder in Ordnung.

Möglich wäre natürlich auch, daß die Schuld an den hohen Abmeldequoten bei den Professoren liegt. Doch nehme ich das natürlich von

Haus aus nicht an und kenne nur einen Teil der Professoren persönlich. Eine kritische Betrachtung dieser Herren wäre daher nicht fair und außerdem auch gar nicht im Sinne des Artikels.

Meiner Meinung nach liegt der Hund ganz wo anders begraben. Im Lehrplan nämlich! - Und ich finde, daß die einzige Möglichkeit, die Bilanz zu verbessern, die Förderung des Interesses darstellt. Mich persönlich würden verschiedene Informationen über Religionsgeschichte und Ideologien sicher interessieren, aber eben auf der Basis mehrerer Religionen. Irgendwelche Interpretationen von Bibelstellen würden mich dagegen weniger ansprechen.

Daher mein Vorschlag: Mehr Religionsgeschichte, weniger Bibel; objektiveren Religionsunterricht und mehr Fakten als überlieferte Geschichtchen. Man könnte in jeder Klasse beispielsweise eine Liste aufhängen, aus der der Stoff bzw. Inhalt der nächsten Religionsstunden ersichtlich ist. Außerdem müßte die Möglichkeit bestehen, die Religionsstunden als „Gasthörer“ zu besuchen. Auf diesem Weg könnte man sich aussuchen, wofür man sich interessiert und wofür nicht. Ich halte das für eine echte Alternative, die alle Gemüter befriedigen könnte.

Gekürzt aus der Wiener Schülerzeitung „Sintflut“.

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