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Mehr Geist und Ideen statt Bagger & Beton

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Nach Abschluß des Wettbewerbes folgt nun die „zweite Stufe". Bis Herbst dieses Jahres sollen die unterschiedlichen Kraftwerksprojekte und -typen, die beim Wettbewerb prämiiert wurden, weiterbearbeitet und untersucht werden.

In einer Ausstellung im Messepalast werden die Wettbewerbsergebnisse für die Bevölkenmg zugänglich sein. Auch in dieser zweiten Phase sollen die Bürger die Möglichkeit haben, am EntScheidungsprozeß teilzunehmen. In dieser zweiten Wettbewerbsstufe liegen entsprechende Fragebögen auf.

Noch bevor aber dieser zweite Wettbewerbsteil begonnen hat, noch bevor die Bürger — in welcher Form auch immer — befragt werden, richten sich einzelne Vertreter d^ Bundeshauptstadt bereits auf die Verwirklichung der Staustufe ein.

In der ersten Märzhälfte, nur knapp eine Woche nach dem Juryentscheid zugunsten der Staustufe, setzte der Umweltausschuß des Wiener Gemeinderates unter der Federführung von Umweltstadtrat Helmut Braun — mit der Stimmenmehrheit der sozialistischen Rathausfraktion — ein Präjudiz.

In einem umstrittenen Vertrag zwischen dem Kraftwerksbetreiber, der österreichischen Donaukraftwerke AG (DoKW), und der Stadt Wien wurde bei der Errichtung des rechten Donaudammes in der Höhe des ehemaligen Lagerhauses — dort entsteht derzeit ein Sporthotel — bereits die Anpassung an die künftige Staustufe Wien vorweggenommen. „Dieser Vertrag", so ÖVP-Gemeinderat Johannes Hawlik, „setzt die Staustufe eindeutig als gegeben an".

SPÖ-Umweltstadtrat Braun kontert, die Mehrkosten würden durch die DoKW aufgebracht. Man müsse den Damm so bauen, daß auch im Fall des Falles, also bei Verwirklichung der Staustufe, keine Mehrarbeiten mehr durchgeführt werden müßten.

Bevor die Staustufe in Wien, etwa in Höhe des Freudenauer Hafens, überhaupt realisiert werden kann, sind ohnehin alle ökologischen Aspekte und seitens der Wiener Stadtverwaltung eine Fülle von Vorarbeiten zu erledigen.

Da müßte die seit Jahren unzureichend funktionierende Hauptkläranlage endlich voll betriebsfähig sein. Zusätzlich müßte das veraltete Wiener Kanalnetz mit Milliardenaufwand saniert werden. Allein für die Erweiterung der beiden Wientalsammelkanäle (links und rechts des Wienflusses) sowie des Hauptsammelka-nals entlang des Donaukanals müssen rund ein bis zwei Milliarden Schilling aufgebracht werden. Schon allein die Realisierung dieses gigantischen Bauvorhabens kann die Verwirklichung der Staustufe Wien um Jahre verzögern.

Aber noch sind die wirtschaftlichen vmd ökologischen Fragen nicht geklärt. Die Hoffnung besteht jedenfalls, daß nach dem seinerzeitigen Hainbiarg-Abenteuer die Verantwortlichen in Staat und Elektrizitätswirtschaft nicht nochmals ohne endgültige Klärung dieser Fragen die Bagger aufmarschieren lassen.

Auch wenn die Donauraumjury von einer „Vernetzung unterschiedlicher Disziplinen, Erfahrungen und Interessen bei der gemeinsamen Bewältigung konkreter komplexer Planungsaufgaben" spricht und die Ansicht vertritt, das „führt zur Mobilisierung eines großen intellektuellen Potentials", so muß doch bedacht werden: Die Staustufe Wien ist , und bleibt ein Unikum; es geht hier nicht um den Eingriff in eine umstrittene Naturlandschaft, sondern um die dramatische Umwandlung eines städtischen Areals mit Hunderttausenden betroffenen Bürgern.

Es geht - gerade zur Jahrtausendwende — um die Zukunft der Metropole Wien. Dafür lohnt es, sich Zeit zu nehmen.

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