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Doch kein Museum im Messepalast?

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In Wien könnte der größte und schönste Museumskomplex Europas entstehen. Wird diese einmalige Chance infolge kleinlicher Streitigkeiten vertan? Die Fachleute schlagen Alarm.

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In Wien könnte der größte und schönste Museumskomplex Europas entstehen. Wird diese einmalige Chance infolge kleinlicher Streitigkeiten vertan? Die Fachleute schlagen Alarm.

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Um das bereits 1981 von Wissenschaftsminister Hertha Firnberg initiierte Projekt Messepalast ist es beunruhigend still geworden.

Nichts von all dem geschah, wovon der neue Wissenschaftsminister Heinz Fischer und Bautenminister Karl Sekanina sprachen, als sie im Juni 1984 die Ergebnisse einer Arbeitsgruppe unter der Leitung von Hermann Filitz, Erster Direktor des schon bei seiner Fertigstellung zu kleinen Kunsthistorischen Museums, der Öffentlichkeit vorstellten: Ein durchaus nicht von allen 16 Direktoren der Bundesmuseen in Wien goutiertes Papier, das aufzeigt, wie man die von Österreichs bedeutendstem Barockbaumeister Fischer von Erlach erbauten Hofstallungen museal nützen - und damit im Zusammenhang — die bereits vorhandenen Bundesmuseen umorganisieren und umstrukturieren könnte.

Nicht ausgeschrieben wurde der für Herbst, spätestens Ende 1984 angekündigte internationale Architektenwettbewerb zum Umbau des Messepalastes, mit dem man beginnen sollte, sobald der Mietvertrag zwischen dem Bund und der Wiener Messe AG am 31. Dezember 1986 erlischt.

Nicht abgeschickt wurden von der Bundesgebäudeverwaltung die termingebundenen Kündigungsschreiben an die siebzig Mieter, die bislang neben der Messe AG im Messepalast wohnen.

Da es noch kein Modell für das als Europas größtes Museumsvorhaben etikettierte „österreichische Centre Pompidou” im Messepalast gibt, hat man auch keine Vorstellung davon, wieviel das Projekt kosten und wie man es überhaupt finanzieren wird. Die Vorstellungen bewegen sich zwischen einer und zweieinhalb Milliarden Schilling. Was somit ebenfalls fehlt, ist ein nicht unwichtiger Finanzierungsplan.

Mehr noch: Es fehlt sogar an einem Beschluß des Ministerrates, das Projekt tatsächlich auszuführen. Nur inoffiziell wird erklärt: „Da fährt die Eisenbahn drüber.” Und: Uber Details könne man noch reden.

Spekulationen sind daher Tür und Tor geöffnet. Sieben Monate nach der Museumsenquete hört man, der Architektenwettbewerb sei deshalb nicht ausgeschrieben worden, weil nicht feststehe, welche Teile des Messepalastes erhalten werden sollten: die streng denkmalgeschützten oder auch die nur bedingt geschützten oder aber der gesamte Bau einschließlich der nicht geschützten, erst im

19. Jahrhundert angegliederten Komplexe.

Möglicherweise, so erfährt man überdies, erübrige sich die Ausschreibung, da der Sieger sowieso schon feststehe und Hans Hollein heiße. Oder: Die Kosten für den Bau, Umbau und die Renovierungen — egal, wie hoch sie seien — könnten nicht aufgebracht werden, obwohl man in dem Projekt nach wie vor und unverändert „die Jahrhundertchance” sehe. Aber jetzt habe man eben andere Sorgen, seit der Staat und seine Politiker mit Umweltfragen vom „Baumsterben” bis zu „Hainburg” konfrontiert werden. Und auch Fischers Vorschlag einer Finanzierung in der Art des Konferenzzentrums fände kaum Zustimmung.

Nicht zuletzt mutmaßt man, Helmut Zilks neue Träume von neuen Räumen für kulturelle Veranstaltungen brächten das Konzept ins Wanken. So brauche Wiens Bürgermeister, der als Unterrichtsminister nicht gezögert hat, als begeisterter Mitstreiter im Kampf umd das Museumskonzept Messepalast aufzutreten, Zuschüsse aus demselben Topf für die Errichtung einer Kunsthalle in der Börse, die eine Halle für großangelegte Wanderausstellungen im „österreichischen Centre Pompidou” überflüssig mache.

Vizebürgermeister Erhard Bu-sek kritisiert darüber hinaus, daß die Bauarbeiten an der U-Bahn bei der angrenzenden Mariahilfer Straße ohne Koordinierung mit dem Wissehschaftsministerium und somit dem Museumskonzept durchgeführt würden.

Aus der Ecke der Messe AG wird bekannt, die Messe AG habe über 1986 hinaus Verträge mit Ausstellungsfirmen abgeschlossen und verlange für deren Ausfall eine Entschädigung von zweihundert Millionen Schilling.

Dazu Direktor Hermann Filitz: „Die Entschädigungsansprüche der Messe AG sollten doch kein Kopfzerbrechen bereiten.

Schließlich würden die Bauarbeiten im Messepalast zehn bis zwanzig Jahre — eher zwanzig — dauern. Da man nicht überall gleichzeitig arbeiten kann, hätte die Messe AG Gelegenheit, etappenweise auszuziehen und könnte 1987 noch getrost ihren Verpflichtungen nachkommen.” Auch für die unter Mieterschutz stehenden Wohnungen müßte unschwer ein Ersatz gefunden werden. Allerdings steht bisher nicht fest, ob man diese Wohnungen überhaupt braucht.

Was man dagegen braucht, ist eine rasche politische Entscheidung.

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