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Menschen im Abgrund

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Es gibt eine Reihe Autoren, die, alle aus dem österreichischen Südosten stammend, sich im Volksstückbereich der Malerei Schwarz-in-Schwarz ergeben. Dazu gehören Wolfgang Bauer, Harald Sommer und Peter Turrini. Der Grazer Franz Buchrieser dagegen, dessen Einakter „Hanserl” — in der Werkstatt des Berliner Schillertheaters uraufgeführt — im Akademietheater nachgespielt wird, setzt außer Schwarz auch Grau ein. Das Vater- Sohn-Problem bildet den Vorwurf, das nach Hasenclever schon ein anderer Österreicher, Arnolt Bronnen, im Jahr 1920 ln seinem Schauspiel „Vatermord” behandelte.

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Es gibt eine Reihe Autoren, die, alle aus dem österreichischen Südosten stammend, sich im Volksstückbereich der Malerei Schwarz-in-Schwarz ergeben. Dazu gehören Wolfgang Bauer, Harald Sommer und Peter Turrini. Der Grazer Franz Buchrieser dagegen, dessen Einakter „Hanserl” — in der Werkstatt des Berliner Schillertheaters uraufgeführt — im Akademietheater nachgespielt wird, setzt außer Schwarz auch Grau ein. Das Vater- Sohn-Problem bildet den Vorwurf, das nach Hasenclever schon ein anderer Österreicher, Arnolt Bronnen, im Jahr 1920 ln seinem Schauspiel „Vatermord” behandelte.

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Bei Buchrieser verschieben sich die Akzente, der Vater, ein Greißler, ist keineswegs ein Berserker, vor dem der Sohn zittert wie bei Bronnen. Er quatscht zwar antisemitisch, erweist sich aber als gutmütig, will nur nicht, daß sein längst erwachsener Hanserl ausschließlich Arbeitsscheu und Faulenzen praktiziert. Dieser Tunichtgut entzieht sich jedweder Einordnung, all das ekelt ihn an, damit ist er ein nur allzu bekannter Typ von heute. Doch müßte Buchrieser uns spüren lassen, was die letzte Ursache dieses Verhaltens ist. Am Schluß würgt der Sohn den Vater, sie gehen auseinander. Sowohl in der Berliner Aufführung wie hier in Wien, erwürgt er ihn. Der Schluß, den der Autor wählte, entspricht wohl besser der psychischen Situation. Ansonsten bietet Regisseur Wolfgang Glück eine psychologisch gut durchgetönte Wiedergabe. Hugo Gottschlich erweist sich in der Rolle des Vaters erstmals durchaus als Charakterdarsteller, nur hat er noch nicht die gleiche „presence” wie bei seinen Nestroyschem Hausknechten. Alexander Grill ist ein großgewach- sener Hanserl mit beinahe weicher Gemütslage, die dann ins Sadistische outriert. Schlichtes Bühnenbild von Sibille Alken.

In dem anschließend zur Uraufführung gebrachten Einakter — „Krieg im dritten Stock” von Pavel Kohout — wird die alte Vorstellung, den Massenkampf zweier Völker durch einen Einzelkampf zu ersetzen, far- cenhaft in der Gegenwart angesiedelt Der Computer hat den biederen Rechtsanwalt Dr. Emil Blaha als Kombattanten erwählt, er wird nachts an der Seite seines Ehe- gesponses geweckt und hat trotz allen Widenstrebens sofort zum Kampf anzutreten, denn sein ebenfalls durch Computer bestimmter Gegner, Harr Müller, Weinhändler aus Saarbrük- ken, ist bereits in voller Kriegsausrüstung im Anmarsch. Schon stehen Waffen zur Verfügung, schon schlagen Granaten ein, Blaha wird im Treppenhaus zu „Hackfleisch”, Müller kommt als Sieger, fällt tot ins Bett der „Feindes”-Gattin.

Die Vergewaltigung des Menschen durch den Staat, gegen den es keinen Widerstand gibt, wird anfangs nachdrückliches Erlebnis. Doch mündet der treffliche Grundeinfall, der eine geistige Pointe erfordern würde, ins Leere, es entsteht schließlich nur Schießereiklamauk. Regisseur Fritz Zecha bietet die Szenen mit der nötigen faroenhaften Forschheit dar,

wobei Erich Auer die beiden Feinde, Lotte Ledi seine Frau, Edd Stavja- nik und Wolfgang Gasser je mehrere Rollen spielen. Thomas Richter- Forgach vereint als Bühnenbildner in Blahas Schlafraum Hypertechnisches mit Anregungen durch die Skulpturen der Amerikaner Battenberg und Segal, seitlich stehenden Militärpuppen mit von unten angestrahlten MetaUköpfen. Auch in den Kostümen betont er das Unreale.

In einer .Zeit, da der Mensch in den Künsten fast ausschließlich so dargestellt wird, als sei er losgelöst von allen metaphysischen Bezügen, hat die Konfrontation mit Ernst Barlach, der diese Zusammenhänge nicht nur in seinen Skulpturen und Graphiken, sondern auch in seinen Dramen spürbar machte, besondere Bedeutung. Dennoch wird er an unseren Großbühnen nicht gespielt. So ist es ein Verdienst des Theaters am Belvedere, daß da derzeit eines seiner Dramen, „Der arme Vetter”, zur Aufführung gelangt.

Den jungen Iver ekelt vor dem eigenen seelischen Ungenügen und dem der anderen Menschen. Er ahnt eine höhere Form des Menschseins, ohne sie zu erreichen. Was er bei sich bemängelt, tritt ihm noch krasser an einem schönen Ostermorgen bei Ausflüglern entgegen, die ihn fast alle nur anzuwidem vermögen. Als er den Tod sucht und findet, erweckt er dadurch das Fräulein Isenbam, die Braut des lediglich dem Nützlichen verhafteten Siebenmark, zu sich selbst. Sie erlebt die Auferstehung ihres wahren Ichs.

Barlach, dieser protestantische Mystiker, war ein Gottsucher, etwas davon steckt in Iver, der den Siebenmark danach befragt, ob er nicht als „verarmter Vetter den hohen Herrn in seinem Glanz vorüberfahren” gesehen habe. Aber Siebenmark versagt. Das Gottsucherische verbindet sich mit realistischer Weltnähe und mit mancherlei Skurrilem zur Eigenart des Dramatikers Barlach. Unter der Regie von Irimbert Ganser, der das Stück stark kürzte, gibt Johannes Kaiser dem Iver das gereizte Ungenügen an sich und den andern, Erika Santner ist ein verinnerlichtes Fräulein Isenbam, die Gestalt des Siebenmarks kommt durch Otto Clemens nicht eindringlich genug heraus. Gute Typen zeichnen der begabte Wolfgang Klivana, aber auch Fritz Holy und Walter Benn. Günther

Tayrich entwarf abstrakte Bühnenbilder.

Herbert Lederer, der sich am Franz- Josefs-Kai ein eigenes Theater für 49 eingerichtet hat, brachte da die fünfzehnte Produktion seiner Ein- mannprogramme heraus: „Absender unbekannt” von Alois Vogel, dem bekannten Lyriker und Herausgeber des Jahrbuchs „Konfigurationen”. Stephan Wisotschinsky erhält einen Brief, abgesendet von einem, den zu kennen er nicht ganz sicher ist, so macht er sich auf, ihn zu suchen. Es wird ein Irrweg daraus, ein scheinbarer, er gerät an Menschen, deren Realität sich ins Irreale zu erstrecken scheint, Täuschungen, denen er unterliegt, haben etwas seltsam Zwangsläufiges. Letztlich begegnet er sich selbst im Gesuchten, da nun findet er wieder heim. Das Diffuse macht den Wert dieser Odyssee aus. Lederer läßt die Vorgänge als Sprecher mit seiner bekannt hintergründigen Intensität von mehreren im Raum verteilten Spielpodien aus erstehen.

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