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Nahrung der Zukunft

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Das Schicksal der Wirtschaft in den Entwicklungsländern wird weitgehend von der Nachfrage nach Rohstoffen bestimmt. Als der deutsche Professor Fritz Haber den künstlichen Stickstoff erfand, fiel die chilenische Salpeterproduktion auf ein Zehntel. Die reichen Kautschuk-pflanzer im Amazonasgebiet gingen pleite, als der künstliche Gummi entwickelt wunde. Die Feststellungen des deutschen Forschungsschiffes „Walter Herwig“, der Bericht des englischen Lond Shackleton über die wirtschaftlichen Möglichkeiten in der Zone der Malwinen (Falklandinseln) und die Vorkonferenzen im Rahmen des Südpolvertrages erwek-ken begründete Hoffnungen, daß die Entwicklung neuer Nahrungsmittel zu einem Aufstieg Südamerikas führen könnte, wenn auch ein Vergleich mit den arabischen Ländern im Hinblick auf den Petroleum-Segen im Augenblick verfrüht zu sein scheint.

Ob nun die Warnungen des Club of Rome vor einer drohenden Welthungersnot berechtigt sind oder nicht — auf jeden Fall ist die Entdeckung neuer Nahrungsmittelquellen äußerst wichtig, vor allem um die „Eiweißlüeke“ aufzufüllen. In dieser Hinsicht kommen dem „Krill“ (norwegisch: „kleiner Fisch“) und den Algen eine erst jetzt erkannte Bedeutung zu: Der Krill ist ein rotes Knustentier von kaum 6 cm Länge, also eine Art von Krabbe, das 15 Prozent Proteine, daneben aber auch die Vitamine A und B enthält. Die Biologen haben im Südatlant'ik — in der Zone vor den Malwinen und im anschließenden Südpolgebiet — so enorme Mengen von Krill festgestellt, daß der Leiter der jüngsten deutschen Forschungsexpadition, Professor Dietrich Sehage, erklärte, man könne jährlich bis su 50 Millionen Tonnen Krill fangen, ohne die Spezies zu gefährden. Lie Forschungsgruppe des Exministers Lord Shackleton hat zudem auf den unendlichen Reichtum an Algen hingewiesen, die nach Rezepten €er neuen Nahrungsmittelchemiker die Kartoffeln auf unseren Eßtischen in einigen Jahrzehnten ersetzen könnten. Hinzu kommt, daß künstliches Fleisch, aus Sojabohnen entwickelt, in absehbarer Zeit das viel teurere Rindfleisch weitgehend ersetzen kann, und daß die Sojabohne in Südamerika sehr gut gedeiht.

Während es bei dem Kampf um das Südpolgebiet und um die winzigen Malwinen bis vor einigen Jahren nur um Souveränitätsrechte zu gehen schien, hat die Vermutung, daß in dieser Zone unbegrenzte Mengen von Petroleum, Mineralien sowie von 'tierischen und >flanzlichen Rohstoffen verborgen sind, diese Auseinandersetzung neu belebt. Während nur 12 Staaten Ansprüche auf das Südpolgebiet geltend machten — von den lateinamerikanischen: Argentinien und Chile —, verlangen jetzt auch andere — wie Brasilien und Uruguay —, an den ungehobe-nen Reichtümern dieser Zone beteiligt au wenden. Nach dem Vertrag der „Antarktis-Konferenz“ von 1959 wurden die Souveränitätsrechte in dieser entmilitarisierten Zone für 30 Jahre eingefroren. Aber die Vereinigten Staaten haben sich schon jetzt damit einverstanden erklärt, daß alle lateinamerikanischen Länder an der Ausbeutung der Reichtümer des Südpols beteiligt werden. Die argentinische Regierung hat bei den nicht-öffentlichen Verhandlungen, die kürzlich zur Vorbereitung der 9. Antarktis-Konferenz in Paris stattfanden, erklärt, sie lehne jedes Abkommen über eine gemeinsame Ausnutzung der Bodenschätze des Südatlanitik ab, wenn nicht vorher die Souveränitätsrechte der Staaten anerkannt würden, die einen Sektor des Südpolgebietes „besitzen“. In Buenos Aires nimmt man an, daß sich Chile, Australien und Neuseeland diesem Standpunkt anschließen wenden

Was die Malwinen anlangt, so hat der Shackleton-Berlcht keinen Zweifel daran gelassen, daß zumindest die Petroleumsuißhe von einer Einigung mit Argentinien abhängt — wenn schon nicht Fischfang und Aigenvenwertung Probleme aufwerfen. Aber auch in Argentinien will man von einer gemeinsamen Nutzung der natürlichen Reichtümer nichts wissen, bis nicht die eigene Souveränität über die Inselgruppe anerkannt ist. England, das sein riesiges Kolonialreich zum Großteil aufgegeben hat, kann sich paradoxerweise bei der Ablehnung, die Falklandinseln im Süden und Beiice (Britisch-Guyana) im Nordent Lateinamerikas zu räumen, gerade auf das Argument der „Freiheitskämpfer“ — „Selbstbestimmungsrecht der Völker“ — berufen: In beiden Gebieten will die Bevölkerung englisch bleiben.

Weit über den engen Rahmen einea Souveränitätsstreits hinaus kann die Auffindung der neuen Nah-nungsqueilen jedenfalls von größter Bedeutung für Lateinamerika, ja, für die Ernährung der ganzen Welt werden.

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