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Österreichs Casino-Branche als Vorbild

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Das heiße Eisen der Aufhebung des Spielbankenverbots in der Schweiz ist mit einem Vorstoß der Tourismuswirtschaft wieder einmal in die politische Debatte eingebracht worden. Vorbild für die Befürworter des Ausbrechens der Schweiz aus dem Roulette-Inseldasein ist dabei die österreichische Casino-Branche, auf deren „positives Image" sich der Schweizerische Fremdenverkehrsverband in einer Studie stützt.

Die eidgenössische Bundesverfassung läßt gegenwärtig in den Kursälen lediglich das Boulespiel

mit einem Höchsteinsatz von fünf Franken zu. Jede Lockerung dieser Bestimmung erfordert eine Verfassungsänderung mit einer landesweiten Abstimmung, bei der Volk und Kantone eine Mehrheit erbringen müssen.

Schon mehrere vergebliche Anläufe der Tourismusbranche wurden in den vergangenen hundert Jahren unternommen, um eine Tolerierung der Spielbanken zu erreichen. 1929 wurden erstmals Spiele mit einem Maximaleinsatz von zwei Franken erlaubt, 1958 stimmten dann 60 Prozent der Urnengänger einer Erhöhung auf die heute gültigen fünf Franken zu.

Ausländische Touristen, die sich in Schweizer Casinos mit Je-tons eindecken wollen, verstehen manchmal die Welt nicht mehr,

wenn sie in diesem Land der Banken nicht mehr als den Gegenwert von ein paar Ansichtskarten setzen dürfen.

Nicht, daß den Schweizern jede Spielleidenschaft abginge. Schätzungen zufolge werden an den zahlreichen grenznahen ausländischen Spieltischen (zum Beispiel auch in Bregenz) jährlich rund 150 Millionen Franken aus helvetischen Geldbeuteln einkassiert. Für die erlaubten Lotterien im Inland gaben die Schweizer 1983 nahezu eine halbe Milliarde Franken aus.

Eine touristische Arbeitsgruppe arbeitete recht gründlich eine Spielbankenkonzeption aus, die nun zur Diskussion gestellt ist und sich auf ausländische Erfahrungen abstützt. Mit der Lockerung des Glückspielverbots sollen drei Ziele erreicht werden: Bereicherung des touristischen Angebots, Unterstützung der vielfach nicht auf Rosen gebetteten Kur sä-le und Beschaffung von Mitteln für Bund und Kantone, die zweckgebunden teilweise wieder dem Fremdenverkehr zugute

kommen sollen.

Die Konzeption sieht vor, daß die im Ausland üblichen Glücksspiele wie Black Jack, Baccara usw. zugelassen werden und rund zehn Casinos eine Spielbanken-Konzession erhalten. Eine Verordnung nach österreichischem Muster soll die Zutrittsberechtigung regeln. 25 bis 70 Prozent des Brutto-Spielbetrages sollen als Steuern abgezwackt werden.

Immer wieder tauchen in den Argumentenkatalogen der Spielbankpromotoren Vergleiche mit dem Nachbar-Tourismusland Österreich auf, wo 700 Mitarbeiter in zehn Casinos beschäftigt und jährlich etwas über eine Million Spielkunden gezählt werden. Nach Schätzungen der österreichischen Spielbanken AG bringen die Casinos direkt oder indirekt rund 370 Millionen Franken für die Zahlungsbilanz, und der Steuerertrag beläuft sich auf rund 60 Millionen Franken. Solche Zahlen imponieren bei den Schweizer Roulette-Befürwortern.

Sie werden auch nicht müde.

darauf hinzuweisen, daß anfängliche moralische Bedenken in Osterreich durch die korrekte und seriöse Führung der Spielbanken ausgeräumt worden seien.

Der Direktor der österreichischen Fremdenverkehrswerbung, Helmut Zolles, wird mit Äußerungen zitiert, Spielcasinos seien heute in seinem Land eine „Selbstverständlichkeit" geworden:

„Das bleibende Verdienst der österreichischen Spielbanken ist es, im Rahmen der sehr engen legalen Bestimmungen und unter den international gesehen sehr gravierenden Auflagen des Spielbankengesetzes in konsequenter Arbeit das unmöglich Scheinende erreicht zu haben: eine schwer zu definierende, aber sehr erfolgreiche Mischung aus Spiel und Unterhaltung, aus Spielcasino und österreichischem Stil, aus prik-kelnder Spieleratmosphäre und

diskret im Hintergrund agierender .Spielerbetreuung', die erfolgreich verhindert, daß Pech im Spiel zu persönlicher oder beruflicher Tragik wird."

Im Frühjahr 1983 wurde von einem Schweizer Hochschulinstitut eine Repräsentativumfrage zu diesem Thema gemacht. Dabei hielten sich Befürworter und Gegner fast genau die Waage. Das hat die Lockerungswilligen ermutigt und sogar ein wenig erstaunt. Denn sie hatten ja schließlich noch keine „Aufklärungsarbeit" leisten können.

Doch als nun jüngst parlamentarische Vorstöße eingereicht wurden, als erster Schritt zur politischen Realisierung des angetönten Spielbankenkonzeptes, da zeigte sich rasch, daß die Angst vor dem Spielteufel vielerorts in Helvetien noch tief sitzt:

„Volkswirtschaftlich unnütz und sozial gefährlich"; „Konzession an den Mammon"; „Nicht jede Art der Geldbeschaffung ist moralisch vertretbar"; „Auf Tourismuswerbung mit Spielbanken können wir verzichten, sie schadet höchstens unserem Ruf", hieß es da etwa.

Das letzte Wort wird das Volk haben. Doch auf jeden Fall werden noch sieben bis acht Jahre verstreichen, bis sich die Schweizer allenfalls an inländischen Spieltischen die Nerven kitzeln lassen können. Es wird sich vielleicht auch zeigen, daß es österreichische Errungenschaften gibt, deren Kopierung den Schweizern besser anstünde, als gerade die Spielbanken.

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