6826407-1974_14_07.jpg
Digital In Arbeit

Palmes permanentes watergate

Werbung
Werbung
Werbung

Man kann sich fragen, wieso sich die Regierung dieses Landes diesen Rattenschwanz von stümperhaften Spionageaffären, sehr zweifelhaften Querverbindungen zu Spionageorganisationen anderer Länder, ungesetzlichen Handlungen gegenüber den Vertretungen fremder Mächte in Stockholm, Hilfsdiensten für eines der am Nahostkonflikt am stärksten beteiligten Länder und Mißachtungen der Pressefreiheit an den Hals ziehen konnte. Denn alles das hat die Nachrichtenorganisation IB C.In-formaitionsbyrän“) getan, und die Folge davon ist, daß man, bei dem Bemühen, das alles unter den Teppich zu kehren, sich in ein Netz von Halbwahrheiten, Uniwahrheiten und Behauptungen verstrickt hat, die geeignet sind, die Glaubwürdigkeit maßgebender Regierungsmitglieder zu untergraben. Was jedoch schwerer wiegt als der Vertrauensverlust einzelner Politiker, ist, daß Affären solcher Art auch die Grundlagen der schwedischen Neutralitätspolitik bedrohen.

Es ist kein Geheimnis, und es ist schon mehr als einmal von verantwortlichen Politikern unmißverständlich ausgesprochen worden: Schweden betreibt eine Politik der Bündnisfreiheit im Frieden und „zielt“ auf Neutralität im Falle kriegerischer Konflikte in der Welt, es ist aber nie ideologisch neutral gewesen. Schweden ist übrigens seiner wirtschaftlichen Struktur nach kein sozialistisches Land. Es ist — so schildert es ein schwedischer Publizist — „ein Land mit einer hochentwickelten kapitalistischen Wirtschaft, in der eine gut geölte Staatsmaschinerie die Bewohner des Landes arbeitsfähig hält und das Land selbst in die Lage versetzt, als Heimatbasis für einige der effektivsten, profitabelsten und am meisten spezialisierten multinationalen Konzerne zu dienen“.

Ein solches Land gehört mit seiner wirtschaftlichen Struktur zu jener Ländergruppe, die in der NATO ihr militärpolitisches Konzept gefunden hat. Diese Gegebenheit mit regierender Ideologie und der proklamierten Neutralität in Einklang zu bringen, ist das Problem der schwedischen Außenpolitik. Daß eine solche Außenpolitik unglaubwürdig und schließlich auch zum Scheitern verurteilt sei, wenn das „IB“ seine Tätigkeit in der bisherigen Art entfaltet, war die These einiger Journalisten der Zeitschrift „Folket i Bild-Kulturfront“, die über das „IB“ zu schreiben begannen. Das brachte ihnen einen Prozeß wegen Spionage ein. Die zwei Journalisten und ein früherer Mitarbeiter des IB, der die Informationen geliefert hatte, wurden zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Zwei der Angeklagten nahmen das Urteil an, da sie sowieso einen großen Teil der Strafe in Untersuchungshaft abgesessen hatten, der Journalist Jean Gudllou jedoch legte Berufung ein und das übergeordnete „Svea Hovrätt“ setzte das Strafausmaß auf zehn Monate herab. Es stellte gleichzeitig fest, daß die Anklage nicht hätte nach dem Spionagegesetz erfolgen, sondern daß das Gericht der ersten Instanz einen Verstoß gegen das Pressegesetz hätte annehmen sollen. Guülou wurde auf freien Fuß gesetzt

Inzwischen aber war über die Tätigkeit des „IB“ in Finnland (Spionage zur See, zu Lande und in der Luft“, schreiben finnische Zeitungen und führen dabei zehn Punkte auf dem Territorium Finnlands an, von denen aus spioniert worden sein soll) soviel geredet worden, daß sich die finnische Regierung veranlaßt sah, bei der schwedischen Regierung zu protestieren. Der schwedische Außenminister (und frühere Verteidigungsminister) Andersson bestritt jede Spionagetätigkeit, finnische Zeitungen schrieben natürlich das Gegenteil, Guillou behauptete wenige Stunden nach seiner Entlassung, daß der Außenminister gelogen habe und daß er, Guillou, in seiner Gefängniszelle „ohnmächtig vor Zorn“ und ohne antworten zu können alle diese Lügen habe anhören müssen. Der Führer der Liberalen, Dr. Gunnar Helen, fragte die Regierung, warum eigentlich weder der Konstitutions-ausschuß noch der Außenpolitische Ausschuß des Parlamentes von dem finnischen Protest (der am 18. Februar erfolgt war) verständigt worden sei. So gerät die schwedische Regierung Tag für Tag tiefer in einen Sumpf, von dessen Saugwfekung man sich anscheinend nicht zu befreien vermag und in dem mehr als nur der Glaube an die Eindeutigkeit der schwedischen Außenpolitik versinken dürfte.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung